Mord nach Liste
hasste! Sein Schreibtisch stand in einem hässlichen länglichen Raum rechts vor einer erbsengrünen Wand. Wenn er manchmal morgens die Stufen in den ersten Stock der Dienststelle hochstieg, hatte er das Gefühl, in eine Tretmühle zu kommen, so überfüllt und trostlos war es dort. Es hieß, ein Umbau sei geplant, doch bis jetzt war lediglich ein Raum neu gestrichen worden.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah sich um. Einige Kollegen saßen an ihren willkürlich platzierten Schreibtischen, die meisten telefonierten, niemand beachtete ihn. Sweeney überlegte, ob er früher gehen könnte, ohne dass es jemandem auffallen würde.
Seine Hoffnungen wurden von seinem neuen Vorgesetzten zunichtegemacht, der gerade die Treppe heraufkam. Lieutenant Lewis hatte den Posten erst seit fünf Wochen inne, doch Sweeney war bereits klar, dass er seinen Chef nicht ausstehen konnte. Der Lieutenant ging Schwierigkeiten gerne aus dem Weg. Seit die Dienstaufsichtsbehörde Lewis von den inoffiziellen Ermittlungen in Kenntnis gesetzt hatte, sah er Sweeney mit anderen Augen. Scheiß auf den Chef! Der blöde Sack hatte doch nur Angst, dass der Dreck von Sweeneys Händen an ihm hängen bleiben könnte. Zu spät, dachte Sweeney und musste grinsen.
Lewis hatte auch nicht gerade eine weiße Weste. Sweeney beobachtete, wie der Chef gemächlich zu seinem gläsernen Büro am Ende des Raumes schlenderte. Sweeney hatte Wind davon bekommen, dass Lewis seine reiche, aus besseren Kreisen stammende Ehefrau betrog. Jeder Mann hatte ein kleines Geheimnis, das die Welt nicht erfahren durfte. Sweeney hatte sich vorgenommen, auf eigene Faust ein wenig zu ermitteln, wenn der Lieutenant ihm weiterhin im Nacken säße. Es würde ihm ein Leichtes sein, die Nutte zu finden, die Lewis regelmäßig aufsuchte, und ein paar Fotos für die gnädige Frau zu schießen. Natürlich anonym. Wie würde Lewis ohne seine wohlhabende Ehefrau dastehen, die alle Rechnungen bezahlte? Vielleicht sollte Sweeney sich eine Digitalkamera zulegen und Lewis’ Gattin ein paar eindeutige Bilder im Posterformat schicken. Verdammt, er könnte sich auch einen richtigen Spaß draus machen und die Fotos ins Internet stellen. Fast hätte er laut gelacht. Geschähe dem alten Sack ganz recht, wenn die gnädige Frau seine Anzüge zerschnippeln und seine Rolex zertrümmern würde, die er immer allen unter die Nase hielt. Am besten, sie beförderte ihn anschließend mit einem kräftigen Tritt in seinen knochigen Hintern auf die Straße.
Wie du mir, so ich dir. Sweeney wusste, dass Lewis eine Liste führte, auf der er jeden Fehltritt Sweeneys notierte, damit er ihn feuern konnte, ohne Probleme mit der Gewerkschaft zu bekommen. Doch solange Sweeney aufpasste, konnte Lewis ihm nichts anhaben.
Es waren erst drei Minuten vergangen. Sweeney schob ein paar Zettel auf dem Schreibtisch umher und warf wieder einen Blick über die Schulter. Mist! Lewis beobachtete ihn. Hastig drehte er sich um, schlug eine Akte auf und tat beschäftigt.
Alec Buchanan kam die Treppe heraufgestürmt. Mit seinen langen dunklen Haaren, den blutunterlaufenen Augen und dem Stoppelbart sah der verdeckt ermittelnde Beamte wie ein drogenabhängiger Bandenchef aus. Buchanan war noch nicht lange in der Abteilung, vorher war er bei der Sitte gewesen. Sweeney hatte noch nie mit ihm gesprochen, aber er kannte seinen Ruf. Buchanan machte man sich besser nicht zum Feind.
Ein junger Streifenpolizist in Uniform lief Buchanan nach. Er machte ein gequältes Gesicht und schwitzte mächtig. Sweeney tat, als wäre er in seine Unterlagen vertieft. Als die beiden Männer das Büro des Lieutenants betraten, nahm Sweeney den Telefonhörer ab, drückte die Haltetaste und drehte sich, den Hörer ans Ohr gepresst, auf seinem Stuhl herum, um zu verfolgen, was da vor sich ging.
Lewis verlor keine Zeit. Er schrie sofort los. Seine Wut richtete sich auf den jungen Polizisten. Beim Anblick des tobenden Lieutenants musste sich Sweeney das Lachen verkneifen. Der Alte stach mit seinem knochigen Zeigefinger in die Luft und blaffte den Jungen an.
Sweeney wusste, worum es ging. Der Streifenpolizist hatte mehrere Monate verdeckter Ermittlungsarbeit zunichtegemacht. Heute Nachmittag in der Dienstküche hatten einige Kollegen darüber gesprochen. Soviel Sweeney mitbekommen hatte, war Buchanan zu einem wahren Superman mutiert. Im Kugelhagel hatte er seinen Kollegen aus der Drogenhöhle gerettet. Buchanan würde vermutlich eine weitere Belobigung
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