Mord nach Liste
bisschen Zeit, um dir mein Gejammer anzuhören?«
»Wie schlimm war es?«
»Sehr schlimm.«
Cordie musste lachen. »Ich gebe dir zehn Minuten. Dann muss ich weg.«
Regan beschwerte sich über ihre Arbeit, die ständige Einmischung ihres Bruders Aiden, die Meinungsverschiedenheiten mit seiner Assistentin Emily. Sie erzählte, dass Henry Emily dabei überrascht hatte, wie sie in Regans Büro herumschnüffelte.
»Du musst die dumme Kuh rauswerfen«, meinte Cordie aufgeregt.
Regan machte große Augen. Cordie lachte. »Ich rede schon wie meine Schüler. Aber du musst sie trotzdem feuern.«
»Geht nicht. Sie ist Aidens Assistentin. Er müsste ihr kündigen. Aber mir geht’s schon besser, wenn ich weiß, dass du dich genauso darüber aufregst wie ich. So, genug gejammert. Ich glaube, ich bestelle mir noch einen Eistee und lese dieses Tagebuch. Und dann gehe ich rüber zum Polizeirevier. Ich lass mir nicht die Laune verderben.«
»Was willst du dagegen tun?«
»Ich glaube einfach ganz fest daran, dass der Tag noch besser wird.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Und viel Glück bei Detective Sweeney!« Bevor Regan fragen konnte, was sie damit meinte, fuhr Cordie fort: »Das ist der, mit dem du wegen der Ermittlung reden musst. Ein harter Brocken.«
»Da mache ich mir keine Sorgen. So schlimm kann er doch nicht sein.«
8
Detective Benjamin Sweeney, von seinen Kollegen nur B.S. genannt, hatte einen besonders schlechten Tag. Um halb sechs wachte er mit einem gewaltigen Brummschädel auf. Er hatte das Gefühl, ein Schlagbohrer würde seinen Kopf bearbeiten. Der einzige Weg, die Halluzinationen zu vertreiben und den Schmerz zu lindern, bestand darin, da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte: Mit zwei großen Schlücken kippte er einen starken Bourbon hinunter. Der Alkohol brannte in der Kehle und nahm das pelzige Gefühl auf der Zunge. Verschlafen gurgelte er mit Mundwasser, damit niemand seine Fahne roch, zog sich an und ging zum Zahnarzt. Um sieben Uhr hatte er eine Wurzelbehandlung. Gegen neun ließ die Betäubung nach, er litt höllische Schmerzen. Um zehn verschwand die Sonne hinter dicken schwarzen Wolken, so dass er und sein Kollege Lou Dupre völlig nass wurden, als sie vom Auto zu einem Hochhaus liefen, in dem es vor Kakerlaken nur so wimmelte. Sie stiegen in den vierten Stock hoch und standen vor der verwesenden Leiche einer ungefähr zwanzigjährigen Frau. Überall im Zimmer lagen leere Crack-Briefchen herum. Sweeney nahm an, dass hier ein Junkie den anderen ins Jenseits befördert hatte. Er sah darin keinen großen Verlust.
Er wusste auch von vornherein, dass das Opfer keinerlei Papiere bei sich haben würde, mit denen man es hätte identifizieren können – das wäre ja auch zu einfach gewesen. Normalerweise meckerte er so lange herum, bis Dupre freiwillig den Papierkram und die sinnlose Lauferei übernahm. Irgendwann würde der Fall endgültig in der Schublade mit der Aufschrift »Offene Ermittlungen« landen, der Sweeney den Namen »scheißegal« gegeben hatte.
Aber heute machte Dupre aus unerfindlichem Grund nicht mit. Er beschimpfte Sweeney als Arschloch, er hätte die Schnauze voll von seinem ständigen Gemeckere, Sweeney solle seinen fetten Arsch endlich mal selbst in Bewegung setzen.
In allen Krimis, die Sweeney sich anschaute, wenn er sich bis zur Bewusstlosigkeit betrank, waren die Polizisten wie Brüder. Jeder würde sich für seinen Kollegen erschießen lassen – was auch jedes Mal kurz vor Schluss geschah. Im Film herrschte immer Friede, Freude, Eierkuchen. So ein Schwachsinn! In Sweeneys schlechter Welt – der Realität – hassten er und sein Kollege Dupre sich wie die Pest. Manchmal träumte Sweeney von einer zünftigen Schießerei, bei der er sich hinter Dupre stahl und ihm das Hirn wegpustete.
Sweeney war bewusst, dass die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte. In letzter Zeit machten alle auf dem Revier einen Bogen um ihn, als hätte er den Tripper. Obwohl es eigentlich geheim war, wussten alle, dass gegen ihn ein Verfahren lief, und hatten ihn bereits verurteilt, ohne die näheren Umstände zu kennen. Die Dienstaufsichtsbehörde bereitete Sweeney keine Sorgen. Ja, er hatte Geld genommen und weggeschaut, als ein Dealer ermordet wurde, aber die Männer, die ihn bezahlt hatten, konnten nicht gegen ihn aussagen. Und das Geld, die zehntausend Dollar, war sauber. Blitzsauber. Sweeney war sehr vorsichtig gewesen. Sollten die Leute von der Sonderkommission sich doch die ganzen
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