Mord Nach Maß
für alle möglichen Krankheiten. Nur diese brutalen Schwarzseher, die Ärzte, geben die Leute immer gleich auf, aber dann drehen ihnen gerade diese Patienten lachend eine lange Nase und leben noch fünfzig Jahre gesund und in Freuden.«
»Ihr Optimismus ist bewundernswert, Mike, aber mein Leiden gehört nicht zu dieser Kategorie. Sie bringen einen ins Krankenhaus, machen einen Blutaustausch und entlassen einen mit einer kurzen Galgenfrist; und immer weiter so, bloß, dass man jedes Mal ein wenig schwächer wird.«
»Wie tapfer Sie sind«, sagte Ellie.
»O nein, nicht tapfer. Bei etwas so Unabänderlichem bleibt kein Spielraum für Tapferkeit. Das Einzige, was man tun kann, ist, sich ein bisschen Trost zu suchen.«
»Indem man Häuser baut?«
»Nein, das nicht. Man verliert von Mal zu Mal mehr Vitalität, müssen Sie wissen, und deshalb fällt einem die Arbeit immer schwerer, nicht leichter. Die Kraft lässt nach. Nein, aber es gibt Trost, wenn auch mitunter recht seltsamen.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich.
»Nein, das hab ich auch nicht erwartet, Mike. Ich weiß auch nicht, ob Ellie es versteht. Möglicherweise doch. Ich habe jetzt carte blanche aufs Leben und kann alles tun, was mir gefällt.«
Als wir nach dem Besuch bei Santonix nach Athen zurückfuhren, sagte Ellie: »Ein seltsamer Mensch, dieser Santonix. Manchmal fürchte ich mich direkt vor ihm.«
»Vor Rudolf Santonix? Warum denn das?«
»Weil er so ganz anders ist und so etwas… na ja… so eine Skrupellosigkeit und Arroganz an sich hat. Wahrscheinlich wollte er uns nur andeuten, dass das Bewusstsein des nahen Todes diese seine Arroganz noch verstärkt hat. Angenommen«, Ellie sah mich ganz aufgeregt an, fast hingerissen, »angenommen, er baut uns diese wunderbare Burg da auf den Klippen im Wald, und angenommen, wir ziehen ein, er erwartet uns auf der Schwelle…«
»Und was, Ellie?«
»Und er kommt uns nach, schließt langsam die Tür hinter uns und opfert uns da auf der Schwelle. Schneidet uns die Kehle durch oder so.«
»Also, Ellie, du machst mir Angst. An was du manchmal denkst!«
»Der Haken bei uns beiden, Mike, ist, dass wir gar nicht in der Wirklichkeit leben. Wir träumen uns phantastisches Zeug zusammen, das nie eintritt.«
»Aber denk nicht an Blutopfer in Zusammenhang mit Gipsy’s Acre.«
»Ach, daran ist nur der Name schuld, oder auch der Fluch.«
»Es gibt keinen Fluch!«, schrie ich. »Das ist alles Quatsch. Wir wollen nie mehr davon reden.«
Das war in Griechenland.
10
E s war am nächsten Tag, in Athen. Plötzlich, auf den Stufen der Akropolis, lief Ellie Bekannten in die Arme. Sie waren auf einer Hellas-Kreuzfahrt und bei einem der kurzen Landbesuche. Eine etwa fünfunddreißigjährige Frau löste sich aus der Touristengruppe und rannte über die Treppe auf Ellie zu, wobei sie rief: »Nein, also so etwas! Ist das wirklich Ellie Guteman? Herr im Himmel, was machen Sie denn hier? Ich hatte ja keine Idee… Sind Sie auch auf Kreuzfahrt?«
»Nein«, sagte Ellie, »nur zu Besuch.«
»Also, jedenfalls – ich freu mich schrecklich, Sie hier zu treffen. Wie geht’s Cora, ist sie auch mit?«
»Nein, ich glaube, sie ist in Salzburg.«
»Na, so etwas.« Die Frau sah jetzt mich an, und Ellie sagte gelassen: »Darf ich vorstellen – Mr Rogers. Das ist Mrs Bennington.«
»Guten Tag. Wie lange bleiben Sie?«
»Ich will morgen abreisen«, sagte Ellie.
»Ach, du meine Güte! Himmel, ich verliere noch meine Gruppe, wenn ich jetzt nicht gehe, und es ist ja auch schade um jedes Wort aus der Führung, das man versäumt. Wirklich, sie hetzen einen ziemlich herum. Abends bin ich immer völlig erledigt. Können wir uns irgendwo auf einen Drink zusammensetzen?«
»Heute nicht«, meinte Ellie. »Wir machen einen Ausflug.«
Mrs Bennington hastete davon, ihrer Gruppe nach. Ellie, die mit mir die Stufen der Akropolis hinaufgestiegen war, wandte sich jetzt um und schritt abwärts.
»Damit hat sich’s«, sagte sie zu mir.
»Was hat sich?«
Ellie schwieg eine Weile, dann seufzte sie: »Heute abend muss ich schreiben.«
»Wem?«
»Ach, an Cora, und wahrscheinlich auch an Onkel Frank und Onkel Andrew.«
»Onkel Andrew? Der ist mir neu.«
»Andrew Lippincott. Genau genommen ist er gar nicht mein Onkel, eher mein Vormund, oder mein Treuhänder, ganz wie man’s nennen will. Er ist Anwalt, ein ziemlich bekannter sogar.«
»Was willst du ihnen schreiben?«
»Dass ich geheiratet habe. Ich konnte eben nicht so aus heiterem
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