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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sich über sie. Dann trat er zu uns.
    »Tot seit mindestens drei bis vier Stunden«, sagte er. »Wie ist das passiert?«
    Ich berichtete, dass sie wie gewöhnlich nach dem Frühstück ausgeritten war.
    »Hat sie denn bisher zu Pferde Unfälle gehabt?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie war eine erstklassige Reiterin.«
    »Ja, ich weiß, ich habe sie ein paarmal gesehen. Und wie ich hörte, saß sie von Kind an im Sattel. Ich frage mich nur, ob sie in letzter Zeit einen Unfall hatte, der sie ein bisschen nervös gemacht haben könnte. Wenn das Pferd gescheut hat…«
    »Warum sollte es denn scheuen? Es ist ein lammfrommes Vieh…«
    »Ein besonders gutartiges Tier«, ergänzte Major Phillpot. »Sehr zahm und keine Spur nervös. Hat sie sich denn etwas gebrochen?«
    »Ich habe sie noch nicht gründlicher untersucht, aber sie scheint keine äußeren Verletzungen davongetragen zu haben. Vielleicht innere. Ich tippe auf Schock.«
    »Aber man stirbt doch nicht am Schock«, wandte ich ein.
    »Das ist schon vorgekommen. Wenn sie ein schwaches Herz gehabt hätte…«
    »In Amerika haben sie davon gesprochen, dass sie irgendeinen Herzfehler hat – zumindest eine Herzschwäche.«
    »Hm. Davon habe ich bei meiner letzten Untersuchung aber nicht viel bemerkt. Immerhin, wir haben kein EKG gemacht. Aber das hat jetzt alles keinen Sinn, wir werden es schon noch erfahren. Nach dem Inquest.«
    Er musterte mich nachdenklich, dann klopfte er mir auf die Schulter.
    »Marsch nach Hause und ins Bett«, sagte er. »Sie sind derjenige, der hier einen Schock erlitten hat.«
    Nach Art der Landbevölkerung, von überallher und nirgends plötzlich aufzutauchen, hatten sich mittlerweile drei oder vier Leute um uns geschart: ein Wanderer, eine rotwangige Frau und ein alter Straßenarbeiter. Jeder gab seinen Senf dazu.
    »Die arme junge Dame…«
    »Und noch so jung. Ist vom Pferd gefallen, was?«
    »Ach, bei den Biestern muss man auf alles gefasst sein.«
    »Das ist doch Mrs Rogers, nicht, die Amerikanerin? Von The Towers?«
    Nachdem alle anderen ihrem Entsetzen Ausdruck verliehen hatten, ergriff der alte Straßenarbeiter das Wort. Er gab uns die erste Information.
    Kopfschüttelnd meinte er: »Und ich hab’s noch gesehen. Ich hab’s gesehen.«
    Der Doktor fuhr herum. »Was haben Sie gesehen?«
    »Das Pferd, wie’s querfeldein davongaloppiert ist.«
    »Auch, wie sie stürzte?«
    »Nee, das nich. Nur, wie sie am Waldrand entlang geritten is. Dann hab ich Steine geklopft, für die Straße, mit dem Rücken zu ihr, und wie’s dann so trappelte, schau ich auf, und da galoppiert das Pferd davon. An ein Unglück hab ich gar nicht gedacht. Nee, ich dachte, vielleicht ist die Dame abgestiegen, und das Pferd ist ihr irgendwie durchgebrannt. Es lief von mir weg in die andere Richtung.«
    »Und Sie haben nicht gemerkt, dass da jemand auf der Erde lag?«
    »Nein, so gut sind meine Augen nich mehr. Das Pferd hab ich auch nur gesehen, weil’s gegen den hellen Himmel lief.«
    »War sie allein? War jemand bei ihr oder in ihrer Nähe?«
    »Keiner. Nein, sie war allein. Is gar nicht weit von mir vorbeigeritten, wollte wohl nach dem Wald. Nein, ich hab keinen Menschen sonst gesehn, nur sie und den Gaul.«
    »Vielleicht hat sie sich über die Zigeunerin erschreckt«, meinte die rotwangige Frau.
    Ich fuhr herum. »Welche Zigeunerin? Wann?«
    »Oh, so etwa… Na ja, vor etwa drei oder vier Stunden, als ich heute Morgen hier vorbeikam. Es kann Viertel vor zehn gewesen sein. Da hab ich die Zigeunerin gesehen, die aus der Kate unten im Dorf. Wenigstens glaub ich, sie war’s. Aber sie ist die Einzige weit und breit, die einen roten Mantel hat. Wanderte da durch die Bäume den Weg hinauf. Und sie soll die arme junge Dame aus Amerika ja auch immer so erschreckt haben. Mit Verwünschungen und bösen Worten.«
    Gipsy’s Acre. Ich wollte, ich hätte es nie gesehen…

Drittes Buch

19
     
    E s fällt mir ganz außerordentlich schwer, mich an die nun folgenden Ereignisse zu erinnern. Ich meine, an ihre Reihenfolge. Bis dahin steht mir alles noch klar vor Augen, aber danach war es, als sei ein Fallbeil niedergegangen und habe mein Leben in zwei Hälften zerschnitten. Alles, was ich nach Ellies Tod anfing, scheint mir heute improvisiert – ein einziger Wirbel aufgeregter Leute und sich überstürzender Ereignisse, über die ich keinerlei Kontrolle mehr hatte. Was sich da abwickelte, hatte keinen direkten Bezug auf mich, es spielte sich nur um mich herum ab. So kam es mir

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