Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Verwalterdienste zu beklagen.«
    Ich fragte mich, was genau er damit meinte. Denn irgendetwas hatte diese Formulierung zu bedeuten. Wahrscheinlich, dass er mich nicht mochte, nie gemocht hatte, dass er aber geschäftlich einwandfrei für mich arbeiten würde, weil ich Ellies Mann gewesen war. Ich unterschrieb die notwendigen Papiere, und er erkundigte sich, wie ich nach England zurückzureisen gedächte. Im Flugzeug? Nein, sagte ich, ich hätte eine Schiffspassage gebucht. »Ich brauche ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Die Seereise wird mir gut tun.«
    »Und wo werden Sie Ihren Wohnsitz nehmen?«
    »Auf Gipsy’s Acre.«
    »Aha. Für dauernd?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, Sie wollten es vielleicht verkaufen.«
    »Nein.« Das fuhr mir energischer heraus, als ich es beabsichtigt hatte. Von Gipsy’s Acre wollte ich mich nicht trennen, Gipsy’s Acre war für mich Teil eines Traumes, den ich schon als Grünschnabel gehegt hatte.
    »Wer versorgt denn das Haus, solange Sie hier in den Staaten sind?«
    Ich berichtete, dass ich Greta damit beauftragt hatte.
    »Aha«, sagte Lippincott. »Greta.«
    Wieder hatte die Betonung, mit der er ihren Namen aussprach, etwas zu bedeuten, und wieder wurde ich nicht ganz schlau daraus. Er mochte sie eben nicht, und damit basta. Er hatte sie noch nie leiden können.
    Es entstand eine Verlegenheitspause, und ich kam zu dem Schluss, dass ich etwas sagen musste. »Sie war sehr gut zu Ellie«, begann ich also. »Als Ellie krank wurde, hat sie sie gepflegt, hat bei uns gewohnt und sie versorgt. Ich – ich kann ihr gar nicht genug dankbar sein. Bitte verstehen Sie das. Sie ahnen ja nicht, wie sie zu uns war, und wie sie mir nach Ellies Tod geholfen hat. Ich weiß gar nicht, was ich ohne sie angefangen hätte.«
    »Gewiss, gewiss.« Das klang trockener, als ich es je für möglich gehalten hätte.
    »Sie sehen also, ich verdanke ihr eine Menge.«
    »Ein äußerst tüchtiges Mädchen«, meinte Lippincott.
    Ich erhob mich und bedankte mich beim Abschied.
    »Sie haben mir für nichts zu danken«, antwortete Lippincott, trocken wie eh und je. »Ich habe Ihnen einen kurzen Brief geschrieben, er ging mit Luftpost nach Gipsy’s Acre. Da Sie nun mit dem Schiff reisen, werden Sie ihn bei Ihrer Ankunft wahrscheinlich schon vorfinden. Gute Reise.«
    Im Hotel fand ich ein Telegramm vor, das mich in ein Krankenhaus in Kalifornien rief. Ein Freund namens Rudolf Santonix habe nach mir verlangt, er habe nicht mehr lange zu leben und wolle mich vor seinem Tod noch einmal sehen.
    Ich buchte meine Schiffspassage um und flog nach San Francisco. Santonix war noch nicht tot, verfiel aber rapide. Man bezweifelte sogar, dass er das Bewusstsein noch einmal wiedererlangen würde. Im Krankenzimmer setzte ich mich neben sein Bett und betrachtete ihn, betrachtete diese ausgemergelte Hülle des Mannes, den ich einst gekannt hatte. Er hatte schon immer kränklich ausgesehen, hatte seltsam durchsichtig gewirkt, zart und zerbrechlich. Aber nun war er nur noch eine Wachsfigur, und ich wünschte mir nichts so sehr, wie dass er noch einmal zu mir sprechen würde.
    Ich fühlte mich sehr einsam. Den Feinden war ich nun entkommen, ich saß bei einem Freund. Meinem einzigen Freund im Grunde. Er allein wusste ein bisschen über mich Bescheid, außer Mutter natürlich, aber an Mutter wollte ich nicht denken. Ein- oder zweimal fragte ich eine Schwester, ob man nicht irgendetwas für ihn tun könne, aber sie schüttelte den Kopf und sagte nur lakonisch: »Vielleicht kommt er wieder zu sich, vielleicht auch nicht.«
    So wachte ich weiter bei ihm. Und dann endlich rührte er sich und stieß einen Seufzer aus. Ganz vorsichtig richtete ihn die Schwester etwas auf. Er schaute mich an, aber ich konnte nicht sagen, ob er mich erkannt hatte. Sein Blick fiel zwar auf mich, ging aber an mir vorbei oder durch mich hindurch. Doch dann veränderte sich plötzlich etwas in seinen Augen, und ich dachte erleichtert: Er kennt mich doch, er sieht mich doch. Ganz leise sagte er etwas, und ich beugte mich übers Bett, um ihn besser verstehen zu können, aber die Worte schienen mir ohne jeden Sinn. Dann verkrampfte sich sein Körper plötzlich, er warf den Kopf zurück und stieß hervor: »Verdammter Narr… warum hast du nicht den andern Weg gewählt?«
    Danach sackte er in sich zusammen und starb uns unter den Händen.
    Ich weiß nicht, was er mit seinen letzten Worten meinte, weiß nicht einmal, ob es ihm selber klar war.
    Das also war mein Abschied von

Weitere Kostenlose Bücher