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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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»Aber irgendwie, Mr Lippincott, haben Sie es geschafft, mich misstrauisch zu machen. Gegen alle und jeden. Ich verstehe zu wenig von finanziellen Dingen.«
    »Offenbar. Lassen Sie mich nur fest halten, dass ich keine konkreten Informationen besitze und keine bestimmten Verdachtsmomente. Ein Todesfall bringt gewöhnlich eine allgemeine Inventur der Verhältnisse mit sich. Das kann recht rasch gehen, es kann sich aber auch über einige Jahre hinziehen.«
    In der kleinen Dorfkirche fand eine schlichte Trauerfeier statt. Ich wäre ihr gern fern geblieben, wenn ich gekonnt hätte. Mir waren all diese Leute so verhasst, wie sie vor dem Kirchenportal Spalier bildeten und mich anstarrten. Diese neugierigen Augen! Aber Greta schleuste mich durch alles hindurch. Ich glaube, erst jetzt begann ich ganz zu begreifen, was für ein vitaler, verlässlicher Mensch sie doch war. Sie arrangierte alles, bestellte Blumen, sorgte für jede Kleinigkeit. Allmählich konnte ich verstehen, wieso Ellie sich mit der Zeit derart auf Greta verlassen hatte. So etwas wie Greta begegnet einem nicht oft.
    In der Kirche saßen meist nur Nachbarn, manche darunter hatten wir kaum gekannt. Ein Gesicht fiel mir auf, das ich schon gesehen hatte, aber nicht gleich unterbringen konnte. Als ich nach Hause kam, meldete Carson, dass im Salon ein Herr auf mich warte.
    »Ich will heute niemand sehen. Schicken Sie ihn weg. Sie hätten ihn gar nicht erst einlassen dürfen.«
    »Tut mir leid, Sir. Aber er sagte, er wäre ein Verwandter.«
    Carson reichte mir eine Visitenkarte, und plötzlich erinnerte ich mich an das Gesicht, das mir in der Kirche aufgefallen war. Der Name – William R. Pardoe – sagte mir zunächst nichts. Ich reichte die Karte an Greta weiter.
    »Wissen Sie zufällig, wer das sein könnte? Sein Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich konnte ihn nirgends unterbringen. Vielleicht ein Freund Ellies?«
    Greta sah sich die Karte kurz an. »Natürlich.«
    »Wer ist es?«
    »Onkel Reuben. Sie erinnern sich – Ellies Vetter. Sie hat Ihnen doch sicher von ihm erzählt?«
    Da wusste ich auch, weshalb mir das Gesicht so bekannt vorgekommen war: Ellie hatte in ihrem Zimmer eine Reihe Fotos von ihren Verwandten, darunter auch ihn.
    »Ich komme«, sagte ich zu Carson.
    Als ich in den Salon trat, erhob sich Pardoe. »Michael Rogers? Vielleicht kennen Sie meinen Namen nicht, aber Ihre Frau war meine Kusine. Allerdings nannte sie mich immer Onkel Reuben. Wir kennen uns noch nicht, ich bin zum ersten Mal seit Ihrer Heirat in England.«
    »Aber sicher, ich weiß, wer Sie sind«, antwortete ich.
    Reuben Pardoe zu beschreiben, fällt mir etwas schwer: ein großer beleibter Mann mit großflächigem Gesicht und geistesabwesender Miene. Doch sobald man sich eine Weile mit ihm unterhalten hatte, bekam man schnell das Gefühl, dass er viel dichter am Ball war, als man gedacht hätte.
    »Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, wie sehr mich Ellies Tod erschüttert hat«, begann er.
    »Ja, ersparen wir uns das. Ich bin dem Thema noch nicht ganz gewachsen.«
    »Verständlich.«
    Er schien von Hause aus ein mitfühlender Mensch zu sein, und dennoch machte mich irgendetwas an ihm nervös. Greta trat ein, und ich fragte: »Sie kennen doch Miss Andersen?«
    »Gewiss. Wie geht’s, Greta?«
    »Einigermaßen. Wie lange sind Sie schon in England?«
    »Eine Woche oder zwei. Immer viel unterwegs.«
    Da fiel es mir wieder ein, und ich platzte heraus: »Neulich hab ich Sie gesehen.«
    »So? Wo denn?«
    »Bei einer Auktion im Bartington Manor.«
    »Ja, ich erinnere mich an Ihr Gesicht. Sie saßen neben einem älteren Mann mit braunem Schnurrbart.«
    »Richtig. Major Phillpot.«
    »Sie schienen beide sehr gut gelaunt«, meinte er.
    »O ja, und wie«, erwiderte ich und wiederholte mit dem Zweifel in der Stimme, der mich jetzt nie mehr verließ: »Und wie.«
    »Natürlich – damals wussten Sie ja noch nicht, was geschehen war. Das war am Tag des Unfalls, nicht wahr?«
    »Ja, wir warteten auf Ellie, die mit uns essen wollte.«
    »Tragisch«, sagte Onkel Reuben, »wirklich tragisch…«
    »Ich wusste gar nicht«, nahm ich den Faden wieder auf, »dass Sie in England sind. Und Ellie hatte wohl auch keine Ahnung davon?«
    »Nein, ich habe ihr nicht geschrieben. Ich wusste nämlich nicht genau, wie viel Zeit mir hier bleiben würde; nun bin ich aber doch mit dem Geschäftlichen früher fertig geworden als erwartet und überlegte gerade, ob ich Sie nach der Auktion noch auf einen Sprung besuchen

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