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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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schmalen Gang, gesäumt von Ölgemälden und Skulpturen auf Sockeln,
die von Spotlights angestrahlt wurden. Die Luft im Gang war kühl. Laura
Kostakos bewegte sich steif. Ihre Gangart war die einer wesentlich älteren
Frau. Aus dem flatternden Stoff ihres Hausanzugs stieg mir der Geruch eines
Gardenienparfüms entgegen, das mich an meine Großmutter mütterlicherseits
erinnerte.
    Am Ende des Ganges kamen wir zu einem
Wohnzimmer, dessen dunkle, unverputzte Deckenbalken strahlenförmig auf einen
runden Erker zuliefen, unter dessen fünf kleinen Fenstern Sitzbänke eingebaut
waren. Die Fenster zwischen den breiten Mauervorsprüngen ließen nur wenig Licht
herein. Draußen sah man auf einen frei gestalteten Swimmingpool, der wie aus
Lavagestein gemeißelt wirkte. Das Wasser glänzte schwarz in der matten
Spätnachmittagssonne.
    Das Wohnzimmer selbst wirkte düster.
Schatten duckten sich vor den verglasten Bücherschränken an den hinteren
Wänden. Auf dem Tisch vor dem L-förmigen Sofa brannte eine einzelne schwache
Lampe, von der gedämpftes Licht ausging. Die Kühle, die ich schon im Gang
gespürt hatte, durchzog auch diesen Raum. Ich betrachtete den gemauerten Kamin,
auf dessen Feuerrost noch Asche lag.
    Laura Kostakos bot mir mit einer
Handbewegung Platz auf dem Sofa an. Ich setzte mich in die Nähe des Tisches mit
der Lampe. Sie setzte sich mir gegenüber in einen Sessel mit Sprossenlehne.
    Um ein Gespräch in Gang zu bringen,
sagte ich: »Schön haben Sie es hier.«
    Sie sah sich um und zuckte dann
uninteressiert mit den Schultern. »Ja, vermutlich. Ich sehe es kaum noch.« Nach
einer kurzen Pause setzte sie hinzu: »Ich finde es gut, daß Sie Interesse am
Verschwinden meiner Tochter zeigen.«
    »Dazu muß ich Ihnen gleich sagen, daß
mein Interesse in erster Linie dem jungen Mann gilt, der sie ermordet haben
soll.«
    Sie nickte und zupfte einen Fussel von
ihrem samtbekleideten Oberschenkel. »Das stört mich nicht weiter.«
    Ich zog ein Notizbuch und einen Stift
aus der Tasche. »Ich bin aus zwei Gründen zu Ihnen gekommen. Zum einen möchte
ich mir ein Bild davon machen, was für ein Mensch Tracy war.«
    »Was für ein Mensch sie ist, Miss McCone. Tracy ist noch am Leben.«
    »Damit komme ich zum zweiten Grund,
weshalb ich mit Ihnen sprechen wollte. Sie haben erklärt, Sie glaubten, daß
Tracy noch lebt, und ich wüßte gern, warum.«
    Sie nickte wieder und wartete. Offenbar
erwartete sie von mir eine formelle Befragung, wie sie die Polizei vornahm.
    Ich sagte: »Was für eine Frau war...
ist Tracy?«
    »Eine normale junge Frau. Begabter als
die meisten, aber ganz... normal. Womöglich grenzt ihre Normalität ans
Pathologische. So würde das zumindest mein Mann ausdrücken — er hat mit
Psychologie zu tun, wissen Sie.«
    »Könnten Sie mir das genauer erklären?«
    »Tracy ist überaus gewissenhaft. Sie
arbeitet sehr hart und ist äußerst kritisch sich selbst gegenüber. Zeitweise
ausgesprochen streng. Bei Mädchen ihres Alters rechnet man einfach mit gewissen
Unzuverlässigkeiten: Sie verspäten sich bei Verabredungen. Sie vergessen, zu
Hause anzurufen. Sie vergessen Geburtstage oder den Muttertag. Nicht so Tracy.
Selbst ihr Spiel hat einen ernsthaften Zug, als wollte sie ihm Dauer verleihen.
Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja. Sie und Ihr Mann — «
    »Wir leben getrennt«, sagte sie
schnell.
    »Ich verstehe. Sie haben beide eine
Professur an der Stanford?«
    »Ja, aber wir haben beide ein
Urlaubssemester genommen, um Abstand von der Universität und voneinander halten
zu können.«
    Ich überlegte, ob ich dem Zustand ihrer
Ehe weiter nachgehen sollte, entschied aber, daß er für diesen Fall nur
nebensächliche Bedeutung hatte. »Ich habe gehört, daß Tracy als
Cocktail-Kellnerin gearbeitet hat, bevor sie sich auf die Kleinkunst verlegte.
Waren Sie enttäuscht, daß sie nicht lieber aufs College wollte?«
    »Sie ist ja zwei Jahre lang auf dem
College gewesen — auf dem Foothill Junior College. Aber als sie dann ein
achtsemestriges Studium hätte anhängen müssen, ist sie lieber nach San
Francisco gezogen und hat sich als Comedy-Schauspielerin versucht. Offen
gesagt, Miss McCone, Tracy hat keine Ader fürs Akademische. Ich bezweifle, daß
sie glücklich und erfolgreich geworden wäre, wenn sie bei einer
Hochschulausbildung geblieben wäre.«
    »Dann ist sie also mit Ihrem Segen in
die Stadt gezogen?«
    »Also, wir waren beide nicht gerade
begeistert von ihrem Entschluß. Es ist schon für eine

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