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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Erinnerungen an meine
Collegetage, als ich mit einem Stanford-Studenten befreundet war, der nicht
weit vom Autobahnkreuz entfernt wohnte. Heute war die Gegend das Problemviertel
von East Palo Alto, aber damals war sie so begehrt wie Palo Alto selbst. Er
hatte in einer endlos langen Straße gewohnt, die auf beiden Seiten von einem
Ende zum anderen mit Wohnanlagen bebaut war, von schlichten Apartmenthäusern
bis zu luxuriösen Komplexen mit Swimmingpools und Golfplätzen. Damals hatte ich
in dieser Straße an einigen der schönsten Parties meines Lebens teilgenommen,
aber das gehörte, wie mir eine Freundin aus Palo Alto kürzlich erzählte, der
Vergangenheit an.
    Sie meinte, jetzt zeigten sogar die
pompösesten Komplexe Zeichen ihrer hastigen, qualitativ minderwertigen
Bauweise, die sie zu frühem Altern verdammte. Fassaden bröckeln. Dächer hängen
durch. Die Golfplätze verwildern, und auf dem Wasser der Swimmingpools liegt
eine Moderschicht. Statt Stanford-Studenten, jungen Akademikern und
Marineoffizieren aus Moffett Field wohnen in dieser Gegend jetzt überwiegend
Schwarze und Arbeiter, die auf der Suche nach besseren Lebensbedigungen vom
eigentlichen East Palo Alto über den Freeway auf die andere Seite hierher
gezogen sind.
    Als ich an den Bars, den Schnapsläden
und schäbigen Geschäften an der Verlängerung der University Avenue vorbeifuhr,
die man dort Whiskey Gulch nennt, gingen mir der Geiz und die Scheinheiligkeit
unserer Gesellschaft nicht aus dem Kopf. Sie belohnt ihre aufstrebenden
Minderheiten mit den Resten, die die herrschende Klasse zurückgelassen hat, und
behauptet gleichzeitig, mit der Nachbarschaft gehe es bergab, weil »neue
Elemente« zugezogen seien. Die verfallenden Wohnungen von East Palo Alto
befanden sich nur ein paar Steinwürfe oberhalb der baufälligen
Potrero-Hill-Projects, wo Bobby Foster aufgewachsen war: Enge Wohnblocks aus
der Zeit des Zweiten Weltkriegs, in denen Angst und Gewalt in jedem Eingang und
jedem Treppenhaus lauerten. Aber was machte das schon, wenn man bedachte, wie
hart ihre Bewohner gearbeitet hatten, um es wenigstens so weit zu bringen.
    Am Ende der Ladenzeile verkündete mir
ein Schild, daß ich nun nach Palo Alto selbst käme. Die Umgebung veränderte
sich: Prächtige Bäume wölbten sich über die Straße. Hübsche Häuser im
Weihnachtsschmuck standen weit zurückversetzt auf sorgfältig gepflegtem Rasen.
An den Auffahrten Mercedesmodelle, Cadillacs, Sportwagen. Palo Alto ist eine
bemerkenswert liberale Stadt und stolz auf ihre Kultur und den herrschenden
Intellekt, wobei man ganz bewußt den scharfen Radikalismus akademischer
Enklaven wie Berkeley mied. So war ich mir ziemlich sicher, daß nicht alle
Schwarzen auf dieser Seite der Trennungslinie gestärkte Uniformen tragen
würden. Doch zugleich hatte ich den Verdacht, daß sich auch hier kaum genug
Einwohner fänden, die dieser Minderheit so wohlgesonnen waren, daß sie eine
Ortsgruppe der »Vereinigung für die Förderung der farbigen Bevölkerung« bilden
würden.
    Die Chaucer Street, in der Laura
Kostakos wohnte, gehörte zum exklusiven Crescent-Park-Bezirk, wo alle Straßen
Namen aus der Literatur trugen. Ihr Haus war im spanischen Stil erbaut — zweigeschossig,
weiß verputzt, mit einem roten Ziegeldach. Der Rasen vor dem Haus zeigte eine
Menge großer, verdorrter Flecken. Eine lockere Regenrinne klapperte im Wind. Im
Schatten eines Maulbeerbaums sah ich das gewölbte Vörderfenster. Die Vorhänge
waren zugezogen. Die Magnolie am Eingang hatte ihre Blätter abgeworfen. Sie
lagen auf dem gepflasterten Weg, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie
zusammenzukehren. Als ich auf die Klingel drückte, fiel mir auf, daß nirgends
eine Weihnachtsdekoration zu sehen war.
    Mrs. Kostakos brauchte lange, ehe sie
auf mein Läuten reagierte. Als die Tür endlich aufging, stand eine
hochgewachsene Frau mit blondem, schulterlangem offenem Haar, das grau zu
werden begann, in der Öffnung. Bei vielen Frauen Ende vierzig hätte diese
Frisur zu jugendlich gewirkt, doch zu ihr schien sie zu passen. Sie gab ihr
etwas Fragiles, das ihren zarten Körperbau betonte. Ihr blauer Samthausanzug — ein
seltsames Gewand für drei Uhr nachmittags — hing lose an ihrem Körper und
wirkte, als hätte sie stark abgenommen. Die dunklen Ringe unter ihren Augen
waren von keinem Make-up überdeckt.
    Sie bedankte sich für mein Kommen,
obwohl ich sie um dieses Gespräch gebeten hatte. Dann führte sie mich durch
einen langen,

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