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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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an
Artischockenblätter erinnerten. Sie trug Jeans und ein rotes Sweatshirt mit
einem bizarren Löwenkopf auf der Brust. Ihre Figur war rundlich und ihr
Hinterteil etwas zu gewichtig.
    Ich stellte mich vor und reichte ihr
die Hand. Sie nahm sie mit festem Griff und sah mir offen in die Augen.
    »Ihre Hände sind ja eisig«, sagte sie.
»Der verdammte Wind, ich hasse ihn. Kommen Sie herein, ich mache Ihnen einen
Drink.«
    Ich folgte ihr hinein. Die Tür führte
in ein Wohnzimmer mit dem obligatorischen Panoramafenster auf die East Bay. Die
weißen Vorhänge waren gegen den Nebel zugezogen. Auch die Wände waren weiß, der
Teppichboden hingegen scheußlich senfgelb. Jemand hatte versucht, ihn teilweise
unter einer mexikanischen Brücke zu verstecken, aber es schaute immer noch so
viel davon hervor — Flecken inklusive — , daß es mich schauderte. Die
Möblierung war erstaunlich gut: weißes Ledersofa, passender Sessel,
geschmackvolle Chrom-Tische mit Glasplatte, schlichte Keramiklampen, gute
Unterhaltungselektronik. Als einziger Wandschmuck hing ein Bild über der Couch,
eines dieser ungeheuer teueren Werke, eine Mischung aus Collage und Ölgemälde.
    Während ich meine Jacke auszog,
verschwand Amy Barbour um eine Ecke in den Eßbereich. Ich ließ die Jacke auf
das Sofa fallen und folgte ihr und fuhr vor Schreck zusammen, als ich mir
plötzlich selbst gegenüberstand. Die Rückwand des Eßbereichs war ein einziger
Spiegel. Amy drehte sich um und lächelte über meine Reaktion. »Man erschrickt
ganz schön, nicht? Sie können sich wohl vorstellen, wie schrecklich man sich
dabei morgens um sieben immer fühlt. Der Hausbesitzer bezweckte damit wohl, daß
der Raum größer und die horrende Miete gerechtfertigt erscheint.« Sie ging
durch einen offenen Bogen in die kleine Küche und schnupperte an einem Topf auf
dem Herd.
    »Den Teppichboden hat der Hausbesitzer
wohl auch ausgesucht?«
    »Ich glaube, den hat er billig
bekommen, weil ihn sonst keiner wollte. Im Januar soll ein neuer reinkommen.
Ich kann es kaum abwarten, womit er diesmal ankommt.« Sie ergriff zwei Gläser.
»Was immer es auch sein wird, zu Tracys hübschen Möbeln wird es nicht passen.«
    »Dann gehören die meisten Sachen also
Tracy?«
    »Ja. Sie war von uns beiden diejenige
mit dem Kies.« Amy sagte das ohne Ressentiment, eher als wäre es ein Glücksfall
für sie beide gewesen. »Ich habe Glühwein. Wollen Sie?«
    Ich seufzte im Geist, nickte und sah
zu, wie sie ihn aus dem Topf schöpfte. In den letzten drei Wochen oder so hatte
ich jede Variante von Glühwein genossen, die es auf der Welt gibt. In der
weihnachtlichen Ferienzeit überkommen die Leute seltsame Anwandlungen: Sie
nehmen durchaus trinkbaren — ja sogar guten — Wein und tun eigentümliche
Substanzen hinein: Nelken, Apfelsinenschalen, Zimt und — soviel ich weiß — auch
Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian. Sie rühren ganze Fässer davon an,
mehr, als ganze Heerscharen nach menschlichem Ermessen jemals trinken können,
und zwei Tage vor Neujahr servieren sie einem immer noch, was vom fünfzehnten
Dezember übrig ist.
    Amy reichte mir ein Gals und sah mich
erwartungsvoll an. Ich nahm einen Schluck, fand ihn ganz wohlschmeckend in
meinem gegenwärtigen verfrorenen Zustand und murmelte ein Kompliment. Dann
gingen wir ins Wohnzimmer zurück und setzten uns jeder auf ein Ende des
Ledersofas. Amy zog ihre bestrumpften Beine hoch, setzte sich in den
Schneidersitz und drehte sich zu mir, so daß sie mich ansehen konnte. »Also«,
sagte sie, »für wen arbeiten Sie — für die verrückte Mrs. K.?«
    »Meinen Sie Laura Kostakos?«
    »Ja.«
    »Nein.«
    »Aha. Irgendwie hatte ich das wohl
angenommen...«
    »Warum?«
    »Also, sie ist geradezu fanatisch, was
Trace angeht. Diese Geschichte, daß sie noch lebt. Dieses Apartment hier und
der ganze Unsinn.« Sie fuhr sich mit der Hand durch das artischockenblättrige
Haar. »Verstehen Sie mich nicht falsch — wenn Tracy tatsächlich wieder
auftauchte, würde ich wohl wieder in die Kirche gehen. Aber sie taucht nicht
wieder auf. Sie ist tot. Es gefällt mir nicht, aber ich kann damit leben.
Anders als ihre Mutter. Die ist völlig... Kennen Sie sie?«
    »Ich war bei ihr.«
    »Gut, dann wissen Sie es. Sie ist
wirklich geistesgestört. Komplett... Sie haben so einen nachsichtigen Blick,
als wären Sie nicht ganz meiner Meinung.«
    »Das war unbeabsichtigt. Erzählen Sie
mir von ihr.«
    »Also, das verrückteste ist die Sache
mit diesem Apartment.

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