Mord ohne Leiche
von ihnen fragend anschaute, schüttelte ich
den Kopf und setzte mich an die Bar.
Der Barkeeper kam, und ich gab ihm
meine Karte mit der Bitte um ein Gespräch mit Mr. Larkey. Er studierte die
Karte kommentarlos ein paar Sekunden lang. Er hatte bereits die obere Grenze
der mittleren Jahre erreicht und wirkte abgestumpft. Ihn konnte wohl nichts
mehr in Erstaunen versetzen. Als er sagte, er werde nachsehen, bestellte ich
ein Glas Sauvignon blanc und drehte mich auf dem Hocker um, um mir die Show
anzusehen.
Der Comedy-Spieler war vermutlich Ende
zwanzig, ein dicker Mann mit weichem Babyspeck und dem beweglichen Gesicht
eines Clowns. Seine erste Nummer stellte die Überquerung der Hauptstraße von
Modesto am Freitagabend dar. Es folgte ein Stück über einen sexhungrigen
Teenager. Er war nicht besonders komisch, aber das Publikum schien ihn lustig
zu finden. Das kam wohl von den Grimassen, die er mit seinem enormen
gummiartigen Mund schneiden konnte. Nach einer Weile fand ich es ermüdend, ihm
zuzuschauen, wie er auf der Bühne hin und her wanderte, albernes Zeug plapperte
und dann stehenblieb, um laut zu verkünden: »Ich bin so scharf !«Ich
drehte mich zur Bar zurück.
Der Barkeeper kam mit meinem Drink.
Meine Karte hatte er noch in der Hand. Er sagte: »Mr. Larkey möchte wissen,
worum es geht.«
»Um Tracy Kostakos.«
Damit war es mir nun doch gelungen, ihn
in Erstaunen zu versetzen. Er blinzelte und ging wieder. Ich trank meinen Wein
und versuchte, die Stimme des Komikers auszublenden, der jetzt den Vater des
sexhungrigen Teenagers imitierte.
Nach einer Weile kam der Barkeeper
wieder. »Mr. Larkey möchte Sie sprechen. Er ist in seinem Büro. Durch die Tür,
auf der Ja steht.«
Ich stand auf und legte das Geld für
den Wein auf die Bar. »›Ja‹?« fragte ich.
»›Ja‹ bedeutet: ›Ja, hier geht es zu
den Toiletten.‹«
»Raffiniert«, sagte ich in einem Ton,
der genau ausdrückte, was ich darüber dachte.
»Ja, das paßt zu der Umgebung.« Er warf
einen traurigen Blick auf die vor Lachen brüllenden und schnaufenden Gäste.
Als ich durch die Tür ging, auf der Ja
stand, fragte der Komiker mit der Baritonstimme des Vaters: »Wie erklärst du
mir das, mein Sohn?« Und in nuschelndem Falsett antwortete der: »Ich bin scharf !«
Aus irgendeinem Grund brach fast das Haus zusammen.
Auf halbem Weg zu den Toiletten
hinunter stand eine Tür mit der Aufschrift BÜRO halb offen. Ich klopfte, und
eine Stimme bat mich herein. Mitten in dem vollgestopften Raum saß Jay Larkey
auf einem Hometrainer. Er trug einen leuchtendblauen Trainingsanzug und trat
wild in die Pedale. Als er mich sah, bremste er ab. Der vom Zahnarzt über den
Komödianten zum Clubbesitzer Mutierte sah genauso aus, wie das letztemal, als
ich ihn im Fernsehen gesehen hatte: braune Locken, die ihm in wilden Büscheln
den Nacken hinunterhingen; schmales Fuchsgesicht, Mund voller kleiner, scharfer
Zähne, die immer aussahen, als wollten sie im nächsten Moment in ein Törtchen
beißen und dort nadelfeine Abdrucke stanzen.
Ich hatte einmal ein Interview mit
Larkey gelesen, in dem er gesagt hatte, die Comedy müsse, um komisch zu sein,
verletzen, und als Beispiel hatte er Don Rickles genannt. Ich war mir nicht
sicher, ob ich dem zustimmen sollte — ich mag keinen Humor auf Kosten eines
Unschuldigen — , aber Larkey brachte mich dennoch oft zum Lachen. Und ein
Freund, der einmal Ziel einer seiner Attacken auf das Publikum in Harrah’s Lake
Tahoe gewesen war, hatte mir erzählt, daß Larkey hinterher zu ihm gekommen sei
und sich für die Hinnahme dieser Beschimpfung bedankt habe. Vielleicht war es
der Zahnarzt in ihm, der seinem Humor so etwas leicht Sadistisches verlieh.
Heute abend jedoch sah Larkey überhaupt
nicht aus, als wollte er Witze reißen. Er starrte mich wütend an und schnauzte:
»Also gut — was soll dieser Mist mit Tracy Kostakos?«
Ich trat ganz in das Zimmer und schloß
die Tür hinter mir. »Ich arbeite für Bobby Fosters Anwalt, für die Vorbereitung
der Berufung. Ich habe gehört, Sie glauben nicht, daß Tracy tot ist.«
Larkey runzelte die Stirn und trat
wieder in die Pedale. »Also, das haben Sie falsch verstanden. Ich hatte das
zwar einmal geglaubt, aber jetzt ist sie zu lange weg. Wäre sie noch am Leben,
dann wäre sie inzwischen wiederaufgetaucht. Aber ich möchte Ihnen eines sagen:
Dieser Junge hat sie nicht umgebracht — er würde nie einen umbringen. Setzen
Sie sich doch, falls Sie einen Platz finden.«
Ich sah
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