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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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warf sie Lisa auch vor, daß sie sich hatte benutzen lassen. Lisa
konnte das jedoch nicht gewußt haben, und so fragte ich mich jetzt, ob Lisas
eigene Wut wohl groß genug gewesen sein mochte, um eine heftige Konfrontation
zu provozieren.
    Nach einer Weile wirkten Tracys Nummern
nicht mehr komisch auf mich. Jetzt, nachdem ich wußte, wie sie entstanden
waren, kamen sie mir trivial vor im Vergleich zu dem, was viele der Frauen
sicherlich erlitten hatten, die ihr als Vorlage dienten. Ich schaltete den
Videorecorder aus und stand für eine Weile am Fenster und starrte hinaus auf
die Lagune im Dunst auf der anderen Seite der Straße, dann schrieb ich George
eine kurze Nachricht — verliebten Unsinn, der nicht wirklich zu meiner Stimmung
paßte — und ging heim, um mich umzuziehen.
    Mein Anrufbeantworter hatte fünf Anrufe
für mich gespeichert. Vier waren privat, einer kam von dem Bauunternehmer, der
mich daran erinnerte, daß am Nachmittag das Material geliefert werden müsse,
damit er am nächsten Tag früh mit der Arbeit an der Veranda zum Garten beginnen
könne. Ich fluchte leise und richtete im Geist meinen Zeitplan darauf ein.
Watney wartete in der Küche auf mich und maunzte indigniert ob meiner langen
Abwesenheit. Als ich ihm sein Futter hinstellte, wendete er sich ab und hob
seine Nase zu der Dose mit seinem Lieblingsfutter, Hühnchen und Leber. Ich
schickte ihn hinaus und sagte ihm, er solle sich gefälligst ein paar Mäuse
fangen, wenn er glaube, sie seien so viel besser.
    Für mein Treffen mit einer echten
Hollywood-Größe (und mit der Vorstellung im Hinterkopf, daß es für George eine
ganz neue Erfahrung sein würde, mich mal in richtigen Erwachsenen-Kleidern zu
sehen) zog ich ein Strickensemble aus Rock und Tunika, an. Um den Hals band ich
einen bunten Seidenschal. Als ich mein Haar auffrisierte, sah ich mir genau die
graue Strähne an, die seit meiner Teenager-Zeit da war, und ich überlegte, ob
ich sie langsam färben sollte. Früher einmal hatte sie zwischen all den
schwarzen Haaren exotisch gewirkt, aber nun war ich so alt, daß sie bloß noch
aussah, als gehöre sie dorthin. Dann wieder dachte ich: Warum soll ich sie
färben? Männer halten ihr graues Haar für etwas Besonderes. Dann ist es meines
wohl auch.
    Der Gedanke gefiel mir, und ich machte
mich auf zum Flughafen.
     
     
     

18
     
    Jane Stein war eine angenehme Überraschung.
Mit meinem typisch nordkalifornischen Snobismus gegenüber der Glitzerstadt
Hollywood hatte ich mit einer aufgetakelten, oberflächlich protzigen, womöglich
noch lauten Frau gerechnet. Die dunkelhaarige, konservativ gekleidete Frau dort
an einem Fenstertisch der Flughafenbar war nichts von alledem. Sie gab sich
zurückhaltend, ihr fester Händedruck und ihre tiefe Stimme strahlten ruhiges
Selbstbewußtsein aus, und sie trank sogar Kaffee statt dieses verruchten,
geheimnisvollen Drinks, den ich mir ausgemalt hatte. Sie bot mir einen Platz an
und bestellte unauffällig bei der Kellnerin einen Eistee für mich. Dann beugte
sie sich zu mir und sah mich aus wachen braunen Augen an.
    »Es ist mir ein Vergnügen, einmal einer
richtigen Privatdetektivin zu begegnen und nicht einem dieser Kinomonster, die
wir da unten ständig erfinden«, sagte sie.
    »Es freut mich, daß sie das genauso
sehen wie ich. Ich kann mir diese Fernsehserien oder Filme gar nicht ansehen.
Ich liebe Kriminalromane, aber wie man uns auf der Leinwand darstellt...«
    Jane Stein lehnte sich zurück. Sie
schien zufrieden mit der Beziehung, die sich zwischen uns anbahnte. »Dann
erzählen Sie mir mal, was es damit auf sich hat, daß Tracy Kostakos noch am
Leben ist«, sagte sie.
    Ich legte ihr den Fall nach dem
neuesten Stand dar, ließ aber die schäbige Seite von Tracys Verhalten aus. Jane
Stein hörte nachdenklich zu. Als ich zu Ende war, sagte sie: »Es ist ein
bißchen bizarr, aber ich habe in diesem Geschäft schon so viel erlebt, daß mich
nichts mehr ernsthaft überraschen kann. Ich nehme an, Ihnen geht es genauso.«
    Ich nickte und nahm meinen Arm fort,
damit die Kellnerin den Tee abstellen konnte.
    »Wissen Sie, ich frage mich...« Jane
Stein unterbrach sich mit einem Blick zur anderen Seite des Raums. »Ich möchte
Ihnen von meiner letzten Begegnung mit Tracy erzählen.«
    »Wann war das?«
    »An einem Montag, zwei Wochen bevor sie
starb... verschwand, was auch immer. Wir befanden uns genau in dieser Bar. Ich
treffe mich häufig mit meinen Klienten aus San Francisco hier am Flughafen,
wenn ich

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