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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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auftreten. Und nicht wie ein ehemaliger Plattenbruder 23 , Totschläger und Häftling aus Stein. Das heißt, er musste sich rasieren, einen neuen Hemdkragen, seinen neuen, guten Anzug und seinen neuen Überzieher anziehen sowie den modischen Hut aufsetzen. Das alles würde aber nicht so richtig wirken. Um wie ein Herr aufzutreten, musste er sich vorher gründlich waschen. Als ihm das klar geworden war, klingelte er nach dem Hausmädchen. Dem jungen Ding, einem richtig drallen Trampl 24 aus Böhmen, gab er die Anweisung, ihm einen Krug mit heißem Wasser, ein neues Stück Seife sowie ein frisches, großes Handtuch zu bringen.
    »Groß’ Handtuch kost’ extra…«, böhmakelte das Mädel, worauf er nur bestätigend grunzte. Mit einem Knicks verschwand sie und kehrte kurze Zeit später mit den bestellten Dingen zurück. Er winkte sie zu sich her, drückte ihr 10 Heller in die Hand und zwickte sie gleichzeitig in ihren wohlgerundeten böhmischen Hintern. Das Mädel kreischte laut, wobei es sich um eine Mischung aus Schmerz- und Lustschrei handelte. Bevor sie verschwand, knickste sie und sagte mit geröteten Wangen: »Gnädige Herr sein schlimm. Ganz, ganz schlimm…«
    Das brachte ihn zum Grinsen. Die Kleine war kein Kind von Traurigkeit, mit der konnte er sich durchaus einen fröhlichen Abend vorstellen… Solchermaßen aus seinen Grübeleien ins pralle Leben zurückgekehrt, wusch er sich voll Elan. Besondere Sorgfalt widmete er jenen Stellen, die zuvor durch einen nicht unbeträchtlichen Juckreiz auf sich aufmerksam gemacht hatten. Nach dem Waschen rasierte er sich sorgfältig, pomadisierte sein Haar und kämmte es straff zurück. Dann rief er noch einmal das Hausmädchen. Sie borgte ihm eine Kleiderbürste, mit der er Anzug und Mantel sorgsam abbürstete. Vor allem auf den Hosenbeinen und am Saum des Mantels gab es jede Menge Spritzer vom Straßenschmutz. Nachdem er Hemd, Krawatte, Hose und Sakko angezogen hatte, nahm er sich seine Schuhe vor. Liebevoll betrachtete er sie. Ein Paar handgemachte ›Budapester‹. Erstklassige Qualität. Und er erinnerte sich an den alten Herzberg, der ihm diese Schuhe vermacht hatte. Seinerzeit in der Haftanstalt Stein. Weil er den alten Mann vor Übergriffen beschützt hatte. Ja, der Samuel Herzberg war ein feiner Mensch gewesen. Das konnte man mit Fug und Recht sagen, obwohl er bei den Schwerverbrechern in Stein eingesessen hatte. Er war ein Kaufmann gewesen, der sehr viel Pech gehabt hatte. Durch alle möglichen Manöver hatte er versucht, den drohenden Konkurs abzuwenden. Dabei waren auch Lebensmittel, mit denen er gehandelt hatte, durch schwer gesundheitsschädigende Zutaten verunreinigt worden, nach deren Verzehr mehrere Menschen gestorben waren. Herzberg musste Konkurs anmelden und wurde wegen fahrlässiger Krida, schweren Betrugs sowie der vorsätzlichen Tötung von Menschen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Da es unter den Insassen von Stein jede Menge Antisemiten gab, hatte der alte Mann wenig zu lachen. Ohne seinen, Budkas, Schutz wäre er verloren gewesen. Als Herzberg in der Haft starb, hatte er ihm seine Habseligkeiten vermacht: vor allem diese handgenähten ›Budapester‹. Anfangs waren sie ihm eine Spur zu eng gewesen, aber er hatte sie zu einem Schuster getragen, der die Schuhe auf einen größeren Leisten gespannt und tagelang gedehnt hatte. Nun passten sie wie angegossen. Budka holte sein Schuhputzzeug hervor: Eine Dose Schmoll Schuhpasta, eine kleine Bürste für das Auftragen der Schuhcreme sowie eine große Bürste für das Glänzen der Schuhe. Liebevoll cremte er das Leder ein und polierte es danach mit gekonnten Schwüngen. Ja, so sahen sie– obgleich das Leder schon dort und da Risse hatte– wieder salonfähig aus. Er schlüpfte hinein, band die Schuhbänder, stand auf, ribbelte sich mit warmem Seifenwasser die Schuhcreme von den Händen, trocknete die Hände ab und sah sich prüfend im Spiegel an. Was er sah, beruhigte ihn: ein Herr vom Scheitel bis zur Sohle.
    Die Gehsteige waren, wie immer, wenn viel Schnee fiel, schlecht geräumt. Da seine Schuhe frisch eingefettet waren, drang keine Nässe durch das Leder. Er ging flotten Schrittes, so gut es bei diesem Wetter möglich war, Richtung Innenstadt. Aufgrund der körperlichen Bewegung und der fortgeschrittenen Tageszeit, es war bereits halb eins, machte sich Hungergefühl in seinem Magen breit. Sein Weg führte ihn vorbei am Bahnhof Hauptzollamt und dem Österreichischen Kunstgewerbemuseum 25

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