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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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schmerzten, er schnaufte kurzatmig. Das Alter schlug unbarmherzig zu, wie sich Nechyba eingestehen musste. Mit seinen 51 Jahren merkte er nun, dass es an allen Ecken und Enden seines Körpers zu zwicken begann. Erst unlängst hatte er sich das Kreuz verrissen und darunter etliche Tage gelitten. Er seufzte. Ein Sanitäter der Freiwilligen Rettungsgesellschaft trat neben ihn und brummte missmutig:
    »Das ist eine traurige Sache mit den Selbstmördern. Fast immer, wenn ich Dienst hab, gibt’s einen. Kein Wunder, in diesen Zeiten. Die Leut’ sind verzweifelt. Wenn man nix zum Essen und zum Leben und kein Dach überm Kopf hat, was bleibt einem dann anderes übrig?«
    Nechyba kratzte sich über die bartstoppelige Wange und erwiderte nachdenklich:
    »Der da hat aber keine finanziellen Sorgen g’habt. Schaun Sie sich den Anzug und die Schuhe an. Beides Maßarbeit und beste Materialien. Wenn ich mich net irr, sind die Schuhe sogar aus weichem Kalbsleder. Also, Geldsorgen dürfte der keine g’habt haben.«
    Er starrte weiter in das Gesicht des Toten. Irgendwie kam es ihm bekannt vor. Wenn er nur wüsste, woher… Ächzend hockte er sich nochmals neben die Leiche und griff in deren Sakkoinnentasche. Er fischte einen in einer Lederhülle befindlichen Personalausweis heraus, den er aufklappte. Dabei flatterte ein zusammengelegtes Blatt Papier zu Boden. Unglücklicherweise gerade dort, wo die Blutlache war.
    »Himmelherrgott noch einmal«, fluchte Nechyba und zog das Blatt Papier aus dem Blutsumpf. Er wischte es, so gut es ging, auf dem nächsten Pflasterstein ab und legte dann das klebrige Schriftstück vorsichtig in die Lederhülle zurück. Nun schlug er den Personalausweis auf und stellte fest, dass der Verstorbene ein gewisser Goran Brezina war. Als Beruf war Privatier angeführt. »Also doch ein Gstopfter 127 …«, murmelte Nechyba.
     
    Zurück im Polizeigebäude verfasste er einen kurzen Bericht über den Selbstmord. Laut gähnend und todmüde erinnerte er sich dann an das Blatt Papier, das in die Blutlache gefallen war. Er griff zu der Lederhülle und fand das mit eingetrocknetem Blut besudelte Papier festgeklebt. Vorsichtig löste er es vom Leder. Er faltete es auf und überflog den handgeschriebenen Text mit müden Augen:
    Ich, György Friedmann, Eigentümer und Betreiber des Hotel Hungaria, gestehe, dass ich seit vielen Jahren junge Mädeln, die allesamt unter 14 Jahre alt waren, zur außerehelichen Beiwohnung gezwungen habe…
    Plötzlich war Nechyba hellwach und der Schweiß brach ihm aus. Mit höchster Konzentration las er nun das gesamte Geständnis. Als er das Blatt sinken ließ, lehnte er sich zurück und atmete mehrmals tief durch. »So eine Sauerei!«, stieß er hervor. Draußen dämmerte bereits der Morgen und Nechyba überlegte die nächsten Schritte. Am Montagmorgen würde er sofort zum Zentralinspector Dr. Pamer gehen und alle nötigen Schritte in die Wege leiten. Diesem Friedmann gehörte das Handwerk gelegt!
     
    Montagabend nach einem üppigen Nachtmahl in der Restauration ›Zum Rebhuhn‹ kehrte Nechyba ins Polizeigebäude zurück. Hier warteten bereits sechs Mann seiner Truppe auf ihn. Gemeinsam marschierten die Polizeiagenten zuerst die Elisabethpromenade und dann den Franz Josefs Quai entlang. Bei der neu erbauten Urania bogen sie in die Radetzkystraße ein, wo sie nach weiteren 10 Minuten Fußmarsch ihr Ziel erreicht hatten: das Hotel Hungaria. Nechyba zog seine Taschenuhr heraus, klappte sie auf und grunzte zufrieden. Es war 10Minuten vor 22 Uhr. Er winkte den langen Paul zu sich und ging mit ihm ins Café Hungaria. Dort begrüßte er Leo Goldblatt, der schon gespannt auf ihn wartete. Paul postierte sich vor der Hoftür des Cafés, so dass keiner der Verbrecher hier entweichen konnte. Nechyba ging mit Goldblatt zu seinen Männern zurück.
    »Meine Herren, das ist der Redakteur Goldblatt«, brummte er. »Ich hab ihn eingeladen, die Polizeiaktion zu beobachten und über deren erfolgreichen Verlauf zu berichten. Also: Keine Unachtsamkeiten und höchste Konzentration. Dass uns net wieder so ein Verbrecher entwischt…«
    Die Polizeiagenten nickten ernst und Nechyba trat als Erster in die Hotelhalle, wo gähnende Leere herrschte. Er stapfte zur Portiersloge und betätigte die Klingel. Seine Männer verteilten sich in der Halle. Aufgeschreckt von der Klingel kam eine große, junge Frau aus dem Kammerl hinter der Portiersloge hervor. Sie richtete ihr Haar und gähnte. Als sie Nechyba und seine Leute

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