Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
Vom Netzwerk:
diesen Sockel verursacht wurde.
    »Da liegt ja ein Fahrrad. Ein verbogenes, verbeultes, ramponiertes Fahrrad«, sagte sie leise zu sich selbst.
    Stirnrunzelnd ließ sie den Motor wieder an, legte den ersten Gang ein und fuhr im Schritttempo den Abhang hinunter.
    »Meinst du, da ist ein Unfall passiert?«, fragte Wally mit ängstlicher Stimme.
    Falls sie eine Antwort darauf erwartet hatte, wurde sie enttäuscht.
    Statt auf Wally einzugehen, lenkte Hilde den Wagen wenige Meter vor der Brücke aufs Bankett, schaltete die Zündung aus und öffnete die Fahrertür.
    »Oh Gott, Hilde, nein!«, rief Wally schrill. »Du willst doch nicht etwa aussteigen? Wer weiß, was da geschehen ist? Wer weiß, was du zu sehen bekommst?«
    Wiederum achtete Hilde nicht auf sie, kehrte ihr den Rücken zu und ging zielstrebig auf das verformte Fahrrad zu. Sie betrachtete es kurz, dann sog sie scharf die Luft ein.
    Lores Rad! Verdammt, das war Lores Rad. Ihr Blick tastete das schrottreife Vehikel noch einmal ab, registrierte erneut das rote Gestänge mit dem gelben Muster darauf, die Klickpedale, den wie Kuhhörner aufgebogenen Lenker und – über dem Gepäckträger – den blauen Einkaufskorb. Lores Fahrrad, keine Frage. Aber wo befand sich die Besitzerin?
    Hastig sah sich Hilde um. Sie entdeckte jedoch nur Wally, die herbeitippelte, weil sie offenbar eine potenzielle Begegnung mit Angst und Schrecken dem Alleinsein im Wagen vorzog.
    Wally warf einen raschen Blick auf die Unfallstelle, sah dann genauer hin und wirkte plötzlich erleichtert. »Schau«, sagte sie. »Dem Radfahrer ist gar nichts passiert. Der ist einfach zu Fuß weitergegangen.«
    Das allerdings wagte Hilde zu bezweifeln. »Bestimmt nicht. So, wie das Rad aussieht, muss Lore verletzt sein.«
    »Lore?«
    »Lore«, bestätigte Hilde. »Das Rad gehört der Frau meines Neffen.«
    Wally schlug sich beide Hände auf den Mund und machte entsetzte Krötenaugen. »Heilige Mutter Gottes!«, rief sie dumpf. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. »Aber bestimmt ist der Sanka schon da gewesen und hat sie ins Krankenhaus gebracht.«
    Hilde schüttelte den Kopf. »Dann wäre auch das Fahrrad weg.«
    »Aber wieso denn?«, begehrte Wally auf.
    »Weil dann auch die Polizei gekommen wäre und das Rad mitgenommen hätte«, entgegnete Hilde barsch. Während sie sprach, suchten ihre Augen das Terrain zu beiden Seiten der Straße ab.
    »Lore muss vom Rad geschleudert worden sein«, sagte sie nach einigen Momenten. »Aber wo ist sie gelandet?«
    Als sie keine Antwort darauf erhielt, schaute sie sich nach Wally um, die still dastand und ehrfürchtig zum heiligen Christophorus aufblickte.
    »Der kann es uns ganz bestimmt nicht sag–«, begann Hilde, unterbrach sich jedoch, hastete auf die Brücke, beugte sich über das Geländer und starrte flussabwärts in den Moosbach hinunter. »Kreuzkruzitürken.«
    Lore befand sich nicht weit vom Ufer entfernt zwischen einem Weidenstamm und einem glatt geschliffenen Felsen im Bach. Sie lag auf dem Rücken, ihr Gesicht wies himmelwärts und wurde von kleinen Wellen gleichmäßig überspült. Ihre Gliedmaßen sahen so verrenkt aus wie die einer weggeworfenen Puppe.
    Keuchend rannte Hilde zum Ende der Brücke, stieg über die Leitplanke, die dort den Straßenrand begrenzte, und schlitterte die Böschung zum Bach hinunter.
    »Wo willst du denn hin?«, rief Wally, die noch immer vor der Christophorus-Statue stand und keine Anstalten machte, sich vom Fleck zu rühren.
    Hilde watete ins seichte Wasser des Moosbachs.
    In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken: Zum Glück ist Sommer, sodass der Moosbach kein Schmelzwasser führt, was ihn oft gefährlich ansteigen lässt. Aber trotzdem Vorsicht vor der Strömung, vor glatten Steinen, vor Löchern im Bachbett. Lore wird schwer verletzt sein, was man da wohl tun kann?
    Du musst jetzt einfach handeln, effektiv handeln, mahnte sie sich. Über allerlei nachdenken kannst du später.
    Sie hatte Lores leblos wirkenden Körper inzwischen erreicht und versuchte, sich in eine stabile Position zu bringen, indem sie die Füße neben Lores linker Schulter zwischen den mit Wasser überspülten Wurzeln einer Weide verankerte. Dann bückte sie sich, um Lores Oberkörper anzuheben, musste jedoch feststellen, dass es nicht möglich war, wirksam zuzupacken. Lores Raddress hatte sich voll Wasser gesogen, war schlüpfrig und glitschig geworden. Hildes Finger fanden nirgends Halt.
    Sie gab ihr Vorhaben auf, verlagerte das Gewicht und griff

Weitere Kostenlose Bücher