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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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bevor er sie ein Stückchen wegschob, seine Hände jedoch auf ihren Schultern behielt.
    »Sie kommen zu spät«, sagte Thekla.
    Er schaute sie erschrocken an.
    Da fügte sie hinzu: »Wir haben schon geschlossen. Sie hätten vorhin gleich hereinkommen sollen.«
    Auf seinem Gesicht erschien ein amüsiertes Lächeln.
    Thekla biss sich auf die Lippen. Jetzt wusste er es, wusste, dass sie ihn beobachtet hatte.
    »Abends herrscht ja ein wahrer Run auf Arzneimittel«, sagte Heinrich. Seine Finger streiften sanft über ihre Oberarme, als er die Hände hinuntergleiten ließ.
    Plötzlich fühlte sich Thekla verlassen. Scheu fragte sie: »Der Ansturm hat Sie abgehalten?«
    Heinrich schüttelte zerstreut den Kopf. Sein Blick war am Revers ihres Kittels hängen geblieben, aus dem ein Flaschenhals ragte. »Sollten Sie die Glasflasche nicht lieber in der Hand tragen? So notdürftig in die Brusttasche geklemmt kann sie leicht herausfallen und auf dem Pflaster zerschellen.«
    Theklas ohnehin gerötete Wangen begannen zu glühen. Sie angelte nach der Flasche, die sie – als Zankl ihr den Rücken zugedreht hatte – blitzschnell an sich genommen hatte.
    Heinrich warf einen fragenden Blick darauf. »Sie machen auch Hausbesuche? Versorgen Sie Ihre Patienten mit selbst hergestellten Mixturen?«
    Thekla verneinte, und damit wollte sie es eigentlich belassen. Was sie im nächsten Moment hinzufügte, drängte sich ungewollt aus ihrem Mund: »Da war Birnensaft drin. Meilers Birnensaft. Angeblich das beste Getränk weit und breit.« Sie schwenkte die Flasche, sodass der einzelne gelbe Tropfen darin ins Auge fiel.
    »Meilers Birnensaft«, wiederholte Heinrich in einem Ton, in dem er auch »Frankensteins Spucke« hätte sagen können.
    »Es würde mich wirklich brennend interessieren«, sprach Thekla weiter, »was der Saft alles enthält.« Dann zögerte sie kurz, doch bevor Heinrich etwas erwidern konnte, sagte sie: »Man sollte den Tropfen in einem Labor untersuchen lassen.«
    Heinrich starrte sie entgeistert an.
    Na toll, dachte Thekla, jetzt hält er dich für irre. Trotzdem fügte sie hinzu: »Ich könnte mich an das Labor Schubach in Passau wenden, da hat Martin …« Ihre Stimme versandete.
    Heinrich Held schluckte.
    Thekla sah ihn erwartungsvoll an.
    »Wäre es nicht einfacher, den Hersteller nach den Ingredienzien zu fragen?«, sagte er bedächtig. »Wo wird er denn zusammengebraut, dieser Birnensaft?«
    »Das wüsste ich auch gern«, antwortete Thekla. Sie war nahe daran, Heinrich einzuweihen; ihm von den Flecken zu erzählen und von Hildes Mutmaßungen; ihn zu fragen, wie man seiner Meinung nach vorgehen sollte. Was sie davon abhielt, war die Beobachtung, die sie am Nachmittag vom Fenster des Krönner aus gemacht hatte. Weshalb war Heinrich in Straubing der Witwe des Dichters gefolgt? Was hatte er mit ihr zu schaffen? Hildes Bemerkung über seinen früheren Beruf fiel ihr ein, der angeblich etwas mit »Überwachung« zu tun haben sollte. Was, wenn Heinrich Held zu einem Stalker geworden war, der sich irgendwo und irgendwann eine Frau herauspickte, um ihr nachzustellen?
    Offenbar war ihr anzumerken, dass sie sich hin- und hergerissen fühlte, denn Heinrich legte plötzlich den Arm um ihre Schultern.
    »Kommen Sie, Frau Stein, wir laufen ein paar Schritte am Moosbach entlang. Aber lassen Sie mich das Fläschchen tragen.«
    Thekla duckte sich weg. Sie hatte entschieden, sich ihm nicht anzuvertrauen.
    Nicht solange ich nicht weiß, was sein Kommen und Gehen zu bedeuten hat, dachte sie. Vertrauen gegen Vertrauen.
    Mit einem knappen Abschiedsgruß wandte sie sich ab und lief über die Straße auf das Stein’sche Wohnhaus zu. Dass sie ihn damit der Chance beraubte, eine Erklärung für sein Verhalten zu geben, kam ihr gar nicht in den Sinn.
    Heinrich Held war auf der jenseitigen Straßenseite verdattert stehen geblieben.
    Heftig atmend kam Thekla vor der Haustür an und fummelte in ihrer Kitteltasche nach dem Schlüssel, wobei sie sich zwang, nicht zurückzublicken. Sie fürchtete, dass sie umkehren würde, wenn Heinrich noch am Straßenrand stand. Endlich hatte sie den Schlüssel, steckte ihn ins Schloss.
    Im nächsten Augenblick hörte sie Heinrichs Stimme: »Frau Stein! Bitte lassen Sie uns miteinander reden.«
    Sie drehte den Schlüssel.
    »Frau Stein, Sie können sich jederzeit bei mir melden: Heinrich Held, Moosbach, Weidenweg 1.«
    Die Haustür ging auf, und Thekla verschwand im Flur. Mit einem Knall fiel die Tür wieder ins

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