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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Schloss.
    Thekla ließ sich in den Korbstuhl fallen, der beim Eingang neben einer Bodenvase mit Birkenzweigen stand.
    Weidenweg 1, pochte es in ihrem Kopf. Unvermittelt meldete sich der banale Gedanke, dass sie gar keine Ahnung hatte, wo der Weidenweg verlief.
    Sie machte eine abwehrende Bewegung, um den Gedanken an Heinrich Helds Zuhause zu verscheuchen. Was spielte es für eine Rolle, wo er wohnte? Wie käme sie denn dazu, Heinrich Held dort einen Besuch abzustatten? Weidenweg, bitte sehr. Sinnlos, darüber nachzudenken, wo der zu finden war.
    Aber sie tat es doch, und nach einer Weile fiel es ihr auch ein.
    Weidenweg, Almstraße und Wiesenallee, so nannten sich drei schmale Landsträßchen am jenseitigen Ufer der Donau. Die wenigen Häuser, die sie säumten, gehörten zwar gemeinderechtlich zu Moosbach, lagen aber verkehrstechnisch gesehen näher an Straubing. Denn um nach Moosbach zu kommen, musste man erst etliche Kilometer flussabwärts oder flussaufwärts zu einer Brücke fahren und über die Donau auf die Moosbacher Seite gelangen. Theoretisch konnte man natürlich auch die Fähre benutzen, die allerdings nur jede volle Stunde fuhr und mehr als Touristenattraktion denn als Verbindungsweg gedacht war.
    Wer am Weidenweg wohnt, ging es Thekla durch den Kopf, der ist mit seinem Wagen dreimal schneller in Straubing als in Moosbach. Wenn am Weidenweg jemandem das Kaffeepulver ausgeht, wenn er frische Milch fürs Müsli braucht oder ein Medikament, dann fährt er vernünftigerweise nach Straubing. Und das nicht nur, weil Straubing näher liegt, sondern auch, weil es dort einen Haufen Supermärkte gibt – und mindestens fünfzehn Apotheken.

Derselbe Tag
    Gegen Abend an der Scheuerbacher Brücke
    »Jetzt mach dir mal nicht in die Hose«, schimpfte Hilde. »Du kannst ja postwendend in deiner Küche oder im Badezimmer verschwinden, wenn wir angekommen sind. Ist sowieso das Beste, wenn ich allein mit ihm rede.«
    »Der Sepp wird in der Tischlerei sein«, sagte Wally.
    Hildes Mundwinkel kräuselten sich. »Gut, dass du mich darüber aufklärst. Ich hätte sonst womöglich nebenan im Gartencenter nach ihm gesucht.«
    Wally sah sie einen Augenblick lang verwirrt an, erwiderte aber nichts. Erst nach einigen Sekunden sagte sie: »Wenn du ihm von deinem Verdacht erzählst, wird er dich eigenhändig rausschmeißen.«
    »Ich werde ihm doch nicht auf die Nase binden, worum es mir geht«, entgegnete Hilde scharf.
    »Aber ich … dachte …«, stammelte Wally, »ich dachte, du willst wissen, wo er die Limoflasche herhatte.«
    Hilde umfasste das Steuerrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. »Verdammt noch mal, Wally. So blöd, ihn direkt danach zu fragen, werde ich ganz bestimmt nicht sein.«
    »Ja, aber«, begann Wally erneut, »wie willst du es denn sonst aus ihm rauskriegen?«
    »Krch«, machte Hilde, mahnte sich jedoch zur Geduld und sagte mit einem nur winzigen Tadel in der Stimme: »Ich muss halt versuchen, deinen Mann in ein Gespräch zu verwickeln. Am besten tue ich so, als wolle ich ein Angebot einholen für … Was könnte ich mir denn anfertigen lassen wollen?«
    »Eine Vitrine«, antwortete Wally lebhaft. »Für den Moosbacher Bestatter hat der Sepp so eine schöne Urnenvitrine geschreinert. Dreißig Urnen passen da rein. Durch die großen Glasscheiben ist jede Einzelne gut zu erkennen und trotzdem vor Staub und Ausbleichen geschützt.«
    Hilde rang um Beherrschung. Als ob Maibier nicht genau wüsste, dass sie für das Bestattungsinstitut, das sie zusammen mit ihrem Mann aufgebaut hatte, keine Vitrinen oder sonstigen Möbelstücke mehr in Auftrag geben konnte. Vermutlich hatte sich sogar bis zu ihm durchgesprochen, dass Rudolf sie lieber heute als morgen auf dem Abstellgleis sehen würde.
    »Ich werde mir ein Bücherbord fürs Wohnzimmer bestellen«, entschied sie. »In Nussbaum, damit es zur Schrankwand passt.«
    Wally lächelte und setzte zu einer Antwort an, aus der jedoch ein spitzer Schrei wurde, weil Hilde hart auf die Bremse trat.
    »Was zum Teufel ist das?« Hilde stellte den Motor ab und zog die Handbremse fest an, denn sie befanden sich auf dem abschüssigen Straßenstück vor der Christophorus-Statue an der Scheuerbacher Brücke. Erst dahinter verlief der Fahrweg wieder eben, jedoch kurvig in die Ortschaft hinein.
    Hilde starrte mit zusammengekniffenen Augen die Christophorus-Statue an, aus deren Sockel ein Metallgestänge wuchs, das weit in die Engstelle der Straße hineinragte, die durch eben

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