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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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kniff die Augen zu und versuchte, dem Wirrwarr in ihrem Kopf Herr zu werden.
    »Kann ich noch etwas für Sie tun?« Die Mollige musste zweimal fragen, bis Wally schließlich verneinte und in ihrem Portemonnaie nach einem Geldschein fischte.
    Als sie mit kaleidoskopartig wirbelnden Gedanken im Kopf das Apothekencenter verließ, kam ihr ein etwa zehnjähriger Junge entgegen. Sie bemerkte ihn erst, als er auf gleicher Höhe mit ihr war und sie mit flehender Stimme ansprach: »Bitte helfen Sie mir. Meine kleine Schwester hat sich das Bein eingeklemmt. Bitte, Sie müssen mitkommen.«
    Bevor Wally etwas entgegnen konnte, hatte er kehrtgemacht und lief den Weg zurück, den er gekommen war. Wally watschelte eilig hinter ihm her. Der Junge bog um eine Ecke und blieb nach wenigen Metern vor einem offenbar seit Langem geschlossenen Bastelbedarfsgeschäft stehen, dessen Schaufenster mit schwarzem Papier verklebt war. An der nur angelehnten Eingangstür hing ein verbogenes Vorhängeschloss. Diese Tür hielt der Junge für Wally auf und wartete, bis sie in den fast dunklen Raum dahinter getreten war. Dann lief er davon.
    Wally hörte seine sich entfernenden Schritte, drehte sich um und rief ihm verdutzt nach. Aber statt stehen zu bleiben oder sich wenigstens umzuschauen, beschleunigte er das Tempo, wobei er etwas über seinem Kopf schwenkte, was Wally für einen Zwanzig-Euro-Schein hielt.
    Bevor sie ihrer Verwunderung über das Geschehen Ausdruck geben konnte, fühlte sie sich von hinten gepackt und auf den Fußboden geschleudert. Zischend entwich Luft aus ihren Lungen. Gleichzeitig fiel die Eingangstür mit einem Knall zu.
    Wally lag flach auf dem Rücken. Sie hatte keine Ahnung, was mit ihr passiert war, und auch keine Zeit, darüber nachzudenken. Ihre Arme wurden grob gepackt und über ihren Kopf gestreckt, dann plumpste etwas Schweres auf ihre Handgelenke.
    Wallys Augen waren weit aufgerissen, die Augäpfel quollen schier heraus, rollten von links nach rechts, von oben nach unten. Es war jedoch viel zu dunkel in dem Raum, um mehr als nur Schatten erkennen zu können. Einer dieser Schatten hatte eindeutig eine menschliche Gestalt. Soeben bewegte er sich, trat an Wallys linke Körperseite und verharrte ungefähr auf Höhe ihrer Hüfte.
    Im nächsten Augenblick traf sie ein Fußtritt in die Rippen. Wally stöhnte auf. Daraufhin hagelte es Tritte in die Weichteile. Wally wimmerte, Tränen liefen über ihre Wangen.
    Eine Fußspitze stieß unsanft an ihr Ohr, als wolle sie jener dumpfen Stimme Gehör verschaffen, die plötzlich zu vernehmen war. »Schluss mit dem Schnüffeln. Ab sofort verhaltet ihr euch ruhig und kümmert euch um euren eigenen Kram. Und kein Wort zu irgendjemandem, schon gar nicht zur Polizei. Beim klitzekleinsten Verdacht, dass ihr weiterschnüffelt, schnapp ich euch, und dann kommt ihr mir nicht mehr lebend davon.«
    Während die Stimme sprach, hatte Wally die Augen zugekniffen und den Atem angehalten. Nun traf sie ein Tritt in die Seite, der ihre Atemluft wieder ausströmen ließ. Gleich darauf hörte sie ein Rascheln und ein Klappern. Dann war es still.
    Bin ich jetzt tot?, dachte Wally.
    Sie neigte dazu, das anzunehmen, bis ihr der Gedanke kam, dass Tote keine Schmerzen verspürten. An ihrem Körper aber zog und pochte und zerrte es. Am schlimmsten stand es um die Handgelenke. Sie waren eingeklemmt, und die Kante einer Kiste oder etwas Ähnlichem schnitt sich ins Fleisch.
    Sie lebte also noch, aber angesichts ihres Zustandes war sie sich sicher, dass sie bald sterben würde.
    Wallys Tränen flossen reichlicher. Allein und verlassen würde sie in diesem dunklen Loch hier verrecken. Jawohl, verrecken.
    Die Kistenkante schnitt so schmerzhaft in Wallys Handgelenke, dass ihre Arme reflexartig anfingen, sich zu bewegen. Mit einem Ruck, der sie aufschreien ließ, war der linke Arm frei, dann der rechte. Die Kiste schlug mit lautem Knallen auf dem Boden auf.
    Wally knetete die lädierten Handgelenke und starrte angstvoll in die Dunkelheit. Die menschliche Gestalt war verschwunden. Da wagte Wally es, sich aufzurichten, kam auf die Knie und, indem sie sich an der Kiste abstützte, auch auf die Füße.
    Die Tür, durch die sie den Raum betreten hatte, zeichnete sich deutlich von der Wand ab, weil schmale Lichtstreifen sie wie eine Borte umrahmten.
    Wally humpelte darauf zu.
    Die Klinke ließ sich hinunterdrücken, die Tür ging auf; Wally machte noch einen Schritt, dann stand sie in dem Gässchen hinter dem

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