Mord und Mandelbaiser
Schritt aus dem Haus, nicht einen einzigen.« – Wally unterbrochen von Zähneklappern.
»Sieht ganz so aus, als hätten wir es nicht nur mit einem Täter zu tun. Wie hätte einer allein uns allen dreien am selben Tag auflauern sollen?« – Thekla irgendwann nachdenklich zu Hilde.
»Hatte er nicht genügend Zeit dazu? Und natürlich hatte er auch Glück, indem er als Erstes Wally beschattete. Wir beide sind ihm dann fast zwangsläufig in die Hände gefallen.« Hilde ebenso nachdenklich, dann energischer fortfahrend: »Zuerst hat er sich an Wally gehalten und mitbekommen, dass sie in den Apotheken nach Käufern von Barbituraten fragt. Daraufhin hat er irgendeinen Burschen dafür bezahlt, dass er sie in einen Hinterhalt lockt. Wally sagt, um halb zwei stand sie bereits wieder auf der Straße. Ihr Peiniger befand sich da vermutlich schon auf dem Weg nach Moosbach. Vielleicht hat er dort nach dir gesucht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist er weiter in Richtung Scheuerbach gefahren und hat – welch glücklicher Zufall – deinen Wagen auf der Scheuerbacher Brücke entdeckt. Und du hast nicht weit davon entfernt wie auf dem Präsentierteller darauf gewartet, dass er dir eine stinkende Decke über den Kopf wirft. Da war es ungefähr fünf Uhr am Nachmittag. Nach mir musste er auch nicht lange suchen. Die Dachziegel prasselten allerdings erst um sieben auf mich herunter. Der Kerl hat sich zwei Stunden Zeit gelassen. Inzwischen konnte er noch was weiß ich anstellen.«
Mittwoch, der 6. Juli
Nachmittags im Café Krönner
»Reg dich nicht auf, Wally. Stell dir einfach vor, dass heute ein ganz normaler Mittwochnachmittag ist, an dem wir über etwas reden, das sich in Kirgisistan abspielt«, sagte Thekla und setzte sich auf ihren gewohnten Platz am Fenstertisch. Sie ignorierte Wallys nur schlecht unterdrücktes Aufstöhnen und wandte sich an Hilde. »Und du brauchst Wally wirklich keine Standpauke zu halten. Ihrer Recherche haben wir es zu verdanken, dass sich die Spur zu Meilers Halbbruder aufgetan hat, auf die wir schon viel früher hätten kommen können, wenn wir Elisabeths Bemerkung über den Epileptiker in der Nachbarschaft nicht so schludrig übergangen hätten.«
»Wie hätten wir da schon wissen sollen, dass das wichtig sein könnte?«, knurrte Hilde.
»Wie auch immer«, fuhr Thekla fort. »Wir können ja Elisabeth nach dem Namen von Meilers Halbbruder fragen.«
»Verdammt, das können wir eben nicht.« Hilde deutete anklagend auf ein junges Mädchen in schwarzem Rock und weißer Bluse, das nebenan gerade Bestellungen aufnahm.
Thekla taxierte die fünf jungen Frauen, die dort saßen, und kam zu dem Ergebnis, dass keine Gefahr bestand, von ihnen belauscht zu werden. Alle anderen Tische waren zu weit entfernt, als dass die Gäste dort hätten hören können, was Thekla, Hilde und Wally sprachen – vorausgesetzt sie taten es in einer Lautstärke, die den allgemeinen Geräuschpegel im Café nicht übertönte.
»Elisabeth hat Urlaub«, sagte Hilde, »und ist mit ihrem Mann an den Gardasee gefahren, wie du sehr gut weißt.«
Jetzt fiel auch Thekla ein, dass Elisabeth vergangene Woche von ihrer Ferienreise gesprochen hatte.
Inzwischen war die Aushilfsbedienung herangetreten und fragte lächelnd nach ihren Wünschen.
»Verdammt und zugenäht«, fuhr Hilde die ohnehin bereits eingeschüchterte Wally an, nachdem Thekla das Übliche, Wally Prinzregententorte und sie selbst eine Blätterteigpastete bestellt hatte. »Warum hast du dich bei dieser Apothekerin nicht nach dem Namen von Meilers Bruder erkundigt? Da stößt du schon mal auf eine heiße Spur, und dann gehst du ihr nicht nach.«
»Vorwürfe bringen uns kein bisschen weiter«, versuchte Thekla sie erneut zu beschwichtigen. »Wir müssen seinen Namen eben auf andere Weise herauskriegen.«
Daraufhin herrschte ein Weile Schweigen am Tisch. Wieder sah sich Thekla um, studierte die Gesichter und das Verhalten der übrigen Gäste, bis Wally sagte: »Wir können Elisabeth ja am nächsten Mittwoch danach fragen.«
Hilde stieß ihre Gabel in die Pastete, die das Mädchen soeben vor sie hingestellt hatte, als wolle sie das Ragout fin darin erdolchen. »Und bis dahin sollen wir dem verbrecherischen Geschehen seinen Lauf lassen und uns davor fürchten, dass uns der Kerl erneut attackiert?«
Wally presste sich erschrocken die Hand vor den Mund, in den sie sich gerade einen ansehnlichen Brocken von ihrer Torte gesteckt hatte.
Thekla beschloss, Hilde nachhaltig
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