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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Wally optimistisch. Vielleicht geht er hin und wieder doch in eine Apotheke.
    Der Eisbecher war leider schon geleert. Wally lehnte sich zurück und ließ den Blick schweifen. Eine Viertelstunde wollte sie noch gemütlich hier sitzen bleiben und ausruhen. Sie hatte ja noch Zeit genug.
    Es war sehr schwül geworden an diesem Freitagmittag. Obwohl sie im Schatten saß, sammelte sich der Schweiß in Wallys Speckfalten. Zum Glück hatte sie ein lose fallendes Hemdblusenkleid mit schmalem, locker gebundenem Gürtel an; ihre nackten Füße steckten in Riemchensandalen.
    Voller Entsetzen beobachtete sie Passantinnen, die schwarze Leggins unter ihren Sommerröcken trugen.
    Verrückt, dachte sie. Die müssen ja schwitzen wie die Kulis auf den chinesischen Reisfeldern. Warum machen die denn so was?
    Wally bezahlte ihren Eisbecher, erhob sich ächzend und nahm sich an der Verkaufstheke noch eine Waffel mit zwei Kugeln Stracciatella für den Weg mit.
    Eine halbe Stunde später betrat sie das Apothekencenter. Sie warf einen forschenden Blick auf die drei Angestellten, die momentan für Kundschaft frei waren, und wählte den Tresen, an dem eine recht mollige Frau mittleren Alters bediente.
    Im Schaufenster war Wally ein großes Werbeplakat für Vitamin-E-Kapseln aufgefallen, weshalb sie nicht lange darüber nachdenken musste, was sie sich noch zulegen könnte.
    Glücklicherweise herrschte wenig Betrieb im Verkaufsraum, sodass Wally davon ausgehen durfte, nicht übereilt abgefertigt zu werden. Tatsächlich dauerte es eine ganze Weile, bis es ihr gelang, das Gespräch von den Vorzügen des Vitamin E auf die Situation einer Familie mit einem Epileptiker zu bringen.
    Die Mollige brachte noch eine ganze Portion mehr Mitgefühl auf als ihre Kolleginnen in den anderen Apotheken. Doch auch sie musste Wally enttäuschen.
    »Mir ist niemand bekannt«, sagte sie bedauernd, »dessen Rezepte darauf schließen lassen, dass mit dem verordneten Medikament ein Epileptiker behandelt wird.« Sie sah Wally betrübt an und fügte hinzu: »Aber selbst wenn es so wäre, dürfte ich Ihnen keinen Namen nennen.«
    Wally ließ enttäuscht den Kopf hängen. Musste Hilde denn immer recht behalten?
    Die abschlägige Antwort schwebte ein paar Sekunden lang unschön zwischen ihnen, bis die Mollige – vermutlich um der Zurückweisung die Spitze zu nehmen – sagte: »Sie haben vorhin von Barbituraten gesprochen. Die sind eigentlich so ziemlich vom Markt verschwunden. Selbst Epileptiker werden kaum mehr damit behandelt, Kinder – soweit ich weiß – ausgenommen.« Sie dachte kurz nach. »Andererseits – wenn einer beispielsweise seit dreißig Jahren Luminal nimmt und es gut verträgt, wird man es ihm wohl auch weiterhin verschreiben.«
    Wally nickte verdrossen. Darüber wusste Thekla ebenso gut Bescheid. Ausschlaggebend war, wem dieses Zeug verschrieben wurde, aber das würde sie auch hier nicht erfahren.
    Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, da merkte sie, dass sich die Miene der Molligen plötzlich aufhellte. »Da fällt mir ein, dass ich einmal einen Jungen kannte, der Epileptiker war. Als ich noch in Granzbach zu Hause war, hat er in unserer Nachbarschaft gewohnt. Ja«, fügte sie mit einem bekräftigenden Lächeln hinzu, »davon darf ich Ihnen erzählen – das ist ja privat.«
    »In Granzbach«, wiederholte Wally, irgendwie aus dem Konzept gebracht. »Und dort wohnt er immer noch?«
    Die Mollige zuckte die Schultern. »Ich bin schon vor vielen Jahren aus dem Ort weggezogen. Da waren die Meiler-Buben höchstens zehn oder zwölf. Und ich habe nichts mehr von ihnen gehört oder gesehen, bis vor einiger Zeit in der Zeitung stand, dass man einen von ihnen eingesperrt hat, weil er seine Frau ermordet haben soll. Was aus dem anderen geworden ist …« Erneut zuckte sie die Schultern. »Beide müssen inzwischen um die vierzig sein«, setzte sie nachdenklich hinzu.
    Während die Mollige sprach, war Wally regelrecht erstarrt. Die Spur führte wieder einmal zu den Meilers. Und – Himmelmutter, wie sich alles verbindet – hatte nicht Elisabeth gesagt, dass ein Bub in ihrer Nachbarschaft Epileptiker gewesen war?
    Welcher?, fragte sich Wally nun. Derjenige, der im Knast sitzt? Aber dann kann er nicht … – ja, was eigentlich? Wenn dagegen der Bruder an der Krankheit leidet, überlegte sie weiter, dann wäre auch der in alles verwickelt. Oder ist es etwa so, dass der kranke Bruder ohne sein Wissen dafür herhalten muss, die nötigen Rezepte zu ergattern?
    Wally

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