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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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anscheinend, zu ihr hinaufzuklettern.
    Wally schüttelte entsetzt den Kopf. Die Steinblöcke, die eine Art Treppe bildeten, waren ihrer Ansicht nach viel zu glatt und viel zu groß, als dass man sie hätte hinaufsteigen können. Angespannt beobachtete sie, wie Held versuchte, sich schmale Rinnen, Nischen und Verschneidungen zunutze zu machen, um auf den nächsten Absatz zu gelangen.
    »Selbst wenn er es schafft, da hochzuklettern, alleine kann er Thekla nicht herausholen«, sagte Hilde, die auf einmal neben ihr stand.
    »Du musst ihm helfen«, rief Wally. »Bitte hilf ihm. Wenn er dort hinaufklettern kann, dann schaffst du das auch, rank und schlank und sportlich wie du bist – und eisern«, fügte sie nach einer Pause fast ehrfürchtig hinzu.
    Im selben Moment bemerkte sie voller Erstaunen Hildes Gesichtsausdruck. Wallys Augäpfel, die schon während des Eilmarsches von der Lagerhalle zum Lanz’schen Anwesens weit aus den Höhlen getreten waren, quollen noch stärker hervor. Derart betreten und verstört hatte sie Hilde noch nie erlebt. Wieso, um Himmels willen, stand sie tatenlos hier herum, anstatt zum gegenüberliegenden Ufer zu rennen und von dort gemeinsam mit Held zu Thekla hochzuklettern?
    Bevor Wally zu einer Frage ansetzen konnte, gestand Hilde mit einem reumütigen Seufzen: »Keine drei Meter weit würde ich da hinaufkommen, denn sobald ich auch nur einen halben Meter irgendwo senkrecht hochsteige, beginnt die Welt um mich herum zu schwanken und zu kippen.«
    »Aber du warst doch vorhin gerade –«, begann Wally.
    Hilde ließ sie nicht ausreden. »Rückwärtig führt eine breite Schottertrasse auf die Felsen. Als ich oben war, bin ich weit genug vom Abbruch entfernt stehen geblieben, um zu vermeiden, dass mir schwindelig wurde.«
    »Aber wie –«
    Erneut kam Hilde Wallys Frage zuvor und sagte: »Ich habe Steine nach ihm geworfen.«
    Wally schnappte nach Luft.
    »Ich weiß, das war riskant«, gab Hilde zu, »aber es war auch die einzige Möglichkeit, ihn aus dem Konzept zu bringen.«
    Wallys Blick irrte wieder durch die Felswand, fand den sich abmühenden Heinrich und die schlaff dahängende Thekla.
    »Thekla hat sich noch nicht das kleinste bisschen bewegt«, sagte sie ängstlich. »Sie sieht furchtbar leblos aus.«
    Hilde schluckte, dann sagte sie mit resoluter Stimme: »Thekla ist anscheinend klug genug, still zu halten, weil sie genau weiß, dass sie bei der kleinsten Gewichtsverlagerung abstürzen könnte.«
    Heinrich Held war es inzwischen gelungen, zwei Felsstufen zu überwinden. Drei weitere trennten ihn noch von Thekla. Als er die nächste in Angriff nahm, rutschte er ab. Zwar fing er sich auf der darunterliegenden, landete jedoch auf den Knien und wischte sich Blut von der Stirn.
    Wally hörte Hilde fluchen: »Kreuz–«, den Rest übertönte das Martinshorn.
    »Himmelmutter«, sagte Wally, »das war aber wirklich höchste Zeit.«

Derselbe Tag
    Zwei Stunden später an der gleichen Stelle
    Hilde warf einen letzten bitterbösen Blick auf die Felswand, aus der man Thekla gerettet hatte.
    »Die Himmelmutter hat es gut mit uns gemeint«, sagte Wally gerade, »und hat uns erfahrene Bergretter geschickt.«
    »Das war der Polizeifunk«, antwortete Hilde trocken. »Und wenn Thekla nicht hyperventiliert und dann ohnmächtig geworden wäre, was sie daran hinderte, herumzuzappeln, hätten die nicht mehr viel zu retten gehabt. Zumal sie ja nicht gerade flink waren. Es hat schier ewig gedauert«, fügte sie grimmig hinzu, »bis sich einer von den Kerlen endlich von oben heruntergeseilt und Thekla an seinem Gurt festgemacht hatte.«
    »Aber die Himmelmutter hat dafür gesorgt, dass alles gut ausgegangen ist«, sagte Wally voller Überzeugung. »Thekla ist so gut wie unverletzt geborgen worden, Herr Held konnte sich selbst in Sicherheit bringen, und Oskar Pfeffer, der so viel Unheil angerichtet hat, ist tot.«
    Hilde fuhr wutschnaubend herum. »Warum hat denn deine ›Himmelmutter‹ nicht dafür gesorgt, dass alles gar nicht erst anfing?«
    Darauf blieb Wally die Antwort schuldig, schaute aber drein, als wäre sie gebissen worden.
    Bei Hilde regte sich ein Anflug von schlechtem Gewissen und veranlasste sie, darüber nachzudenken, weshalb sie eigentlich so zornig war. Wie Wally richtig gesagt hatte, war ja alles glimpflich ausgegangen. Thekla und Heinrich Held waren zwar, obgleich auf den ersten Blick nicht ernstlich verletzt, ins Straubinger Klinikum transportiert worden, würden aber nach Ansicht des

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