Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
in Frieden lassen solle, und ich hatte nur noch den einen Gedanken: Raus. Raus.«
Anna legte ihre Hand auf die von Elsa Karlsten und drückte sie leicht.
»Was du jetzt sagst … ja, ich meine, seit ich hierher gezogen bin … ich kenne dich ja schließlich nicht so gut, Elsa, aber mir
ist aufgefallen … das, was du sagst, ist vollkommen logisch im Hinblick darauf, wie er dich behandelt. Du brauchst kein schlechtes Gewissen wegen irgendetwas zu haben …«
Frau Karlsten trank noch einen Schluck Kaffee. Dann sah sie Anna flehend an.
»Ich bin so müde«, flüsterte sie. »Ich bin so fürchterlich müde. Es gibt so viel, was ich dir gerne sagen würde, Anna, aber … ja …«
Anna goss Kaffee nach und stellte ein Graubrot mit Feigen und Walnüssen auf den Tisch. Frau Karlsten zögerte, bestrich dann aber den Kanten dick mit Butter, hobelte eine Scheibe Käse ab und biss zu. Sie aß, als hätte sie schon lange nichts mehr zu essen vor sich gehabt. Nach dem dritten Brot sah sie nicht mehr ganz so verzweifelt aus. Zögernd, als würde sie nach den richtigen Worten suchen, begann sie zu erzählen, was sich im Haus gegenüber abspielte. Anna erfuhr, dass Frau Karlsten jung geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht hatte und dann Hausfrau geworden war. Ihr Mann war ihr und den Jungen gegenüber schon früh aggressiv aufgetreten. Die seltenen Male, an denen sie es gewagt hatte, ihm vorzuschlagen, sich wegen seines Jähzorns Hilfe zu suchen, hatte er sie angeschrien, nicht er wäre krank, sondern sie und das ganze Pack, das sie umgebe. Jetzt sei er nach einem Herzinfarkt die meiste Zeit zu Hause.
Anna merkte, dass sie vor Wut zu zittern begann. Sie dachte, dass es ein Glück war, dass sie keine Schere auf dem Tisch liegen hatte und dass Herr Karlsten nicht neben ihr stand.
»Aber warum hast du ihn nicht verlassen?«
Elsa Karlsten zögerte. Sie setzte sich aufrechter hin.
»Ich wusste nicht, wovon ich leben sollte«, erwiderte sie dann. »Was ich tue, hat schließlich keinen Wert. Das sagt er auch tagaus, tagein zu mir, wenn er zu Hause ist. Und doch habe ich mich um alles gekümmert. Alles. Ich glaube, er weiß nicht mal, wo der Staubsauger steht. Meine einzige Rettung
war, dass er gerne Überstunden machte und oft auf Dienstreise war. Ich versuchte mir also nichts anmerken zu lassen, wenn er zu Hause war. Aber jetzt ist er schließlich in Rente …«
Frau Karlsten kauerte sich auf dem Stuhl zusammen, als hätte sich der Gedanke an den Mann, der jetzt ständig in ihrem Haus war, wie eine große, fette Kröte auf ihr Gemüt gelegt.
»Glaub mir, Anna. Wenn mir eine Lösung einfiele, würde ich alles tun … wirklich alles … aber ich glaube, dass gewisse Dinge … mein Leben, ja … es ist zu spät. Mein Probleme kann niemand lösen, am allerwenigsten ich selbst.«
Anna beugte sich vor und tätschelte Elsa Karlsten die Wange. Wie konnte sie einer misshandelten Frau helfen? Gab es nicht bei der Gemeinde Leute, die auf solche Fragen spezialisiert waren? Gab es nicht spezielle Frauenhäuser? Aber das wäre, als würde man in ein Wespennest stechen, was natürlich kein Grund war, es bleiben zu lassen. Männer wie Herr Karlsten oder Maris ehemaliger Chef glaubten, die Welt zu beherrschen, wenn sie nur laut genug schrien … es wäre eine Freude, ihnen ein Bein zu stellen.
»Weißt du, Elsa, ich habe gerade ein neues Unternehmen gegründet. Kleopatras Kamm . Unser Büro befindet sich in meinem Café auf Södermalm. Du hast von deinen Problemen gesprochen, und … ja, unsere Geschäftsidee ist in der Tat, die Probleme anderer Leute zu lösen. Das klingt etwas vage, ich weiß, aber wir sind zu dritt und haben in unserem Leben schon einiges gemeistert. Wir glauben, dass wir etwas bewirken können. Auch in Situationen, die aussichtslos erscheinen. Dafür steht auch der Name. Willst du nicht zu uns kommen, dann können wir besprechen, wie wir dir helfen können? Häusliche Gewalt ist schrecklich und widerlich, aber leider nicht ungewöhnlich. Es gibt sicher viele, die …«
»Was habt ihr bisher getan?« Frau Karlsten unterbrach sie
mitten im Satz, während sie sich gleichzeitig mit der Zungenspitze nervös über die Lippen fuhr. Sie sah verängstigt aus und schaute gelegentlich über die Schulter, als würde Herr Karlsten hinter ihr stehen und zuhören. Anna sah ihren Schrecken und erzählte in gewollt alltäglichem Ton von der individuellen Hilfe, die Kleopatras Kamm bislang einer stetig wachsenden Zahl von Kunden
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