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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke
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der Wand, zog dann ihr Handy aus der Vordertasche ihrer Jeans und löste die Tastatursperre. Kein Anruf in Abwesenheit, keine SMS von Jürgen. Das sagte doch alles, oder? Wenn er sie hätte erreichen wollen, dann hätte er das übers Handy tun können. Sie spürte, dass Selbstmitleid in ihr hochkroch, sich in ihren Adern ausbreitete, das ganze Gefäßsystem ausfüllte und sie lähmte. Und verdammt, ja, sie wollte diese Traurigkeit spüren, sie wollte sie zulassen und sich damit wappnen gegen alles, was noch kommen würde. Gegen alle Männer dieser Welt, die, bis auf Alex natürlich, ausnahmslos Schweine waren.
    Als es an der Tür klingelte, verdrehte Oda genervt die Augen. Das war wieder mal typisch für ihren Sohn. Wie oft hatte sie schon gesagt, wenn Alex der Hintern nicht angewachsen wäre, würde er vergessen, ihn mit aufs Klo zu nehmen?
    Nicht gerade in der besten Stimmung, denn sie hatte absolut keine Lust, sich jetzt von Alex anhören zu müssen, warum er seine Umzugskartons noch nicht gepackt hatte, öffnete sie die Tür und machte auf dem Absatz sofort wieder kehrt. »Wenn du dir selbst einen Gefallen tun willst, sprich mich nicht an«, sagte sie im Gehen, blieb jedoch auf halbem Weg ins Wohnzimmer wie erstarrt stehen.
    »Ich muss dich aber ansprechen.«
    Das war nicht Alex, das war Jürgen.
    Langsam wandte sie sich um. Jürgen hatte die Wohnungstür hinter sich geschlossen. Er kam auf sie zu, wirkte hilflos, aber auch entschlossen, eine eigenartige Mischung. Das kannte Oda von ihm nicht, bislang war ihr Jürgen als jemand erschienen, der stets das Ruder in der Hand und immer sicheren Boden unter den Füßen hatte. »Ich weiß nicht, ob heute Abend der richtige Zeitpunkt ist«, sagte sie, ließ ihn im Flur stehen und ging ins Wohnzimmer. Noch immer machte sie kein Licht, sondern setzte sich im Dunkeln auf die Couch.
    Jürgen folgte ihr und setzte sich neben sie, vermied es jedoch, sie zu berühren. »Doch. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Wir müssen miteinander reden.«
    »Wir?« Oda lachte bitter. » Ich hab nichts von solcher Tragweite zu erzählen. Ich bin dir gegenüber von Anfang an offen und ehrlich gewesen.« Sie presste ihre Lippen zu einem lang gezogenen schmalen Strich zusammen, spürte Tränen in sich aufsteigen und wandte den Blick zur Decke, um zu verhindern, dass die Tränen freie Bahn bekamen.
    »Ich hab einen Fehler gemacht. Das gebe ich zu. Ich hätte dir sagen müssen, dass ich eine Tochter habe. Und sicherlich hätte ich es auch getan. Irgendwann.«
    » Irgendwann? Wir sind seit anderthalb Jahren zusammen, und in dieser Zeit, noch dazu vor dem Hintergrund, dass wir zusammenziehen wollen, hältst du es nicht für nötig, mir zu sagen, dass du eine fünfzehnjährige Tochter hast? Kannst du mir bitte mal erklären, wie ich dir künftig noch irgendetwas glauben und dir vertrauen soll, wenn du derart wichtige Dinge einfach … Wie würdest du es bezeichnen? Vergisst? Nicht für wichtig genug hältst? Wie ist denn deine Einstellung mir gegenüber, verdammt noch mal?«
    Oda sprang auf und brachte ein paar Meter Abstand zwischen sich und Jürgen. »Wir wollen am Wochenende zusammenziehen. Nicht nur wir zwei, sondern du und ich und mein Sohn. Ich hab dich in meine Familie integriert, hab zugelassen und unterstützt, dass du und Alex Freunde werdet, und du hast mir nicht einmal erzählt, dass du eine Tochter hast. Was bitte soll ich denn jetzt von dir und von uns und unserer Beziehung halten?« Sie atmete tief ein, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Wand neben der Tür.
    »Oda. Ich hab dir gesagt, ich hab einen Fehler gemacht. Aber bitte lass mich dir die Fakten erklären. Dann wird mein Fehler, wenn auch nicht unverzeihlich, vielleicht aber ein wenig verständlicher. Bitte. Setz dich wieder.« Jürgen blieb ruhig. Und es war etwas an genau dieser Art, ruhig zu bleiben, was Oda wieder bewusst machte, weshalb sie sich in ihn verliebt hatte. Trotzdem setzte sie sich nicht neben ihn auf die Couch, sondern schnappte sich einen Stuhl aus dem Essbereich und zog ihn neben den Couchtisch. So saß sie außerdem etwas höher als Jürgen, und er musste zu ihr aufblicken.
    Jürgen kam ohne weitere Umschweife zum Thema. »Also. Fakt ist: Ich habe eine Tochter. Laura ist fünfzehn Jahre alt, und ich habe außer fünfzehn Fotos bis vor Kurzem nichts von ihr gesehen. Ihre Mutter schickte jedes Jahr ein Geburtstagsfoto, in den letzten Jahren per E-Mail, nicht einmal mit einem persönlichen

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