Mord Unter Segeln
hatte damals auch eine Schlafcouch gestanden, denn in der Hochsaison hatte ihre Oma sogar ihr eigenes Schlafzimmer an Stammgäste vermietet und selbst unten gewohnt. »Das ist gar nicht schlimm«, hatte sie Ilka erzählt. »Ich bin doch sowieso den ganzen Tag auf den Beinen, da ist es egal, wo ich mich abends hinlege, ich schlaf ein, kaum dass ich liege.« Ihre Großmutter hatte den Pensionsbetrieb auch mit Abendbrot angeboten. Ilka erinnerte sich daran, dass Simone und sie die Abendgäste oft mit Marionetten unterhalten hatten. Sie selbst hatte eine Clown-Marionette gehabt, August hieß er, wie es eben typisch war für einen Clown, Simones Puppe war ein Matrose namens Hein Mück gewesen. Eigenartig, dass ihr das jetzt alles einfiel. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Inzwischen hatte sie etwas über eine Stunde vertrödelt. Sie stand auf. Peter wartete sicher schon.
Donnerstag
»Nee, Simone hab ich am Montag auf der Marina nicht gesehen. Auch sonst nicht. Hab ich Ihnen gestern ja auch schon gesagt.« Der Hafenmeister blickte Oda an. Er war schlank, bestimmt einen Meter fünfundachtzig groß, hatte dunkle Haare, einen Vollbart und trug ein blaues Poloshirt zur Jeans. »Ich hab natürlich noch mal drüber nachgedacht, klar. Simone war ja eine von uns. Aber sie segelte ja nicht. Was hätte sie also hier gesollt?« Er zuckte mit den Schultern. »Segler wohnen an Bord ihres Schiffes, die brauchen keine Pension. Und Kojen auf Segelschiffen vermietet Simone nicht, obwohl das sicher auch mal 'ne Idee wäre.«
Christine und Oda hatten nach ihrer Ankunft nur kurz bei Dirks in der Polizeistation auf der Kaapdüne haltgemacht und waren anschließend zum Hafen geradelt. Sie habe gestern nur wenig Zeit für den Hafenmeister gehabt, hatte Oda gesagt, darum sollten sie heute noch einmal nachhaken.
»Jemanden besuchen zum Beispiel. Das macht man doch vielleicht, wenn Leute mit einem Schiff auf die Insel kommen, die man kennt. Da kann man durchaus mal zum Kaffee hingehen«, sagte Christine, fügte lautlos »oder zum Frühstück« hinzu und konnte sich bei diesem Gedanken ein klammheimliches Schmunzeln nicht verkneifen.
»Also ich hab sie jedenfalls nicht gesehen, aber das muss nix heißen. Fragen Sie doch drinnen mal, vielleicht weiß eins der Mädels mehr. Auf den Aushang mit dem Foto, den Dirks hier gestern ans Schwarze Brett geklebt hat, hat sich von den Seglern noch keiner bei mir gemeldet.«
Damit bestätigte der Hafenmeister noch einmal das, was auch Dirks ihnen vorhin gesagt hatte. Es schien, als ob Simone Gerjets die Insel nicht mit einem Schiff verlassen hatte. Zumindest nicht mit dem, auf dem sie gefunden worden war.
»Das hat uns alle ganz schön erschüttert. Wird die auf 'nem Segelboot ermordet. Und das, wo ihre Lütte so krank ist. Der arme Peter. Na, zumindest ist ja jetzt die Ilka da und hilft ihm. Woll'n mal hoffen, dass sie die persönlichen Sachen ihrer Schwester durchguckt und dem Peter dadurch einiges erspart.«
»Erspart?«, fragte Oda.
»Na, Sie wissen schon.« Der Hafenmeister verdrehte die Augen. »Könnt ja sein, dass da Dinge dabei sind, die Peter als Ehemann nicht unbedingt finden muss.« Er verzog verschwörerisch die Mundwinkel. »Reicht ja so schon.«
»Wie meinen Sie das?« Langsam hatte Christine die Nase voll von all den Andeutungen, die über die Tote gemacht wurden. Als Wiebke davon anfing, hatte sie noch gedacht, das sei eine Art Insiderinformation, aber tatsächlich schienen alle Insulaner davon auszugehen, dass Simone Gerjets mit anderen Männern herumgemacht hatte. Und wenn das so war, dann wurde es Zeit, herauszufinden, ob und, wenn ja, mit wem sie tatsächlich eine Affäre gehabt hatte.
Der Hafenmeister räusperte sich. »Man soll ja nichts Schlechtes über die Toten sagen, aber bei Simone … das pfiffen doch die Spatzen von den Dächern. Wir haben Peter gegenüber natürlich nie etwas verlauten lassen, der arme Kerl war ja ohnehin schon schlimm genug dran. Außerdem war er wenig hier. Und wenn, dann hat er sich um seine Tochter gekümmert. Er hat sich weder unserer Tanzgruppe noch dem Heimatmusikkorps angeschlossen. Wenn Peter nach Langeoog kam, dann gab es für ihn nur Sophie und Simone. Der liebt seine beiden Frauen über alles. Da konnte man ihm nicht einfach so stecken, dass seine Frau nicht nur in seinem Topf rührte.«
»Also ist etwas dran an dem Gerücht, dass Simone Anlass für die Trennung von … Moment …« Christine zog ihren Lederblock aus der Tasche und
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