Mord Unter Segeln
Stich. Jetzt seid erst mal ihr wichtig: Sophie und du. Ich sorg auch dafür, dass mit der Pension alles ganz normal weiterläuft. Und dass Sophie sich wohlfühlt. Ich hoffe nur, dass sie es zulässt. Hast du ihr inzwischen gesagt, dass Simone … dass sie tot ist?« Ilka stellte die Kaffeetasse ab und sah ihren Schwager an. »Peter?«
Erstaunt registrierte sie, dass er abwesend wirkte. Als sei er nicht wirklich da. »Peter?«
»Nein.« Er räusperte sich. »Sophie weiß es noch nicht. Ich hab gedacht, es ist besser, wenn sie es hier erfährt, in ihrer gewohnten Umgebung. Und ich bin so froh, dass du jetzt da bist.« Über den Küchentisch hinweg griff er nach ihrer Hand.
Dass du es mir abnimmst, meinst du, dachte Ilka, sagte aber nichts, sondern lächelte Peter an. In diesem Augenblick klingelte es an der Tür.
***
Oda war überrascht, dass eine Frau die Tür öffnete. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Simone Gerjets' Schwester gleich die Rolle der Hausfrau oder Pensionswirtin übernehmen würde. Umso besser.
Ilka Friedrichsen unterschied sich allein optisch sehr von ihrer Schwester. Während Simone schlank gewesen war, musste ihre Schwester mindestens Kleidergröße 44 kaufen. Da kannte sich Oda leider aus. Simones Kopf war von langen schwarzen Haaren umgeben gewesen, die Schwester trug einen kurzen, naturgelockten Putz mit Resten von Strähnchen in Blond, Braun und Rot. Die Frau musste dringend mal wieder zum Friseur. Forsch streckte Oda ihr die Hand entgegen. »Sie müssen Frau Friedrichsen sein. Wir haben schon gehört, dass Sie Ihren Schwager in dieser Situation unterstützen.« Mitten in der Bewegung stutzte sie. »Ach so, Entschuldigung, Sie kennen uns ja noch nicht. Oda Wagner. Kripo Wilhelmshaven. Meine Kollegin Christine Cordes.«
»Kommen Sie rein.« Ilka Friedrichsen trat einen Schritt zurück. »Ich sitze gerade mit meinem Schwager bei einem Kaffee in der Küche.«
»Wir würden gern mit Ihnen allein reden. Mit Herrn Gerjets haben wir gestern schon gesprochen.«
Sie liefen an der Küche vorbei, wo Peter Gerjets inzwischen nicht mehr am Tisch saß, sondern im Türrahmen stand.
»Sie schon wieder«, sagte er.
Bevor Oda den flapsigen Spruch, der ihr augenblicklich einfiel, aussprechen konnte, antwortete Christine: »Nehmen Sie's nicht persönlich.«
Oda registrierte erfreut, dass sich Christines Mitleid augenscheinlich im Rahmen der beruflichen Bandbreite bewegte und nicht, wie sie es in Anbetracht der Gesamtumstände befürchtet hatte, ins Unermessliche ausdehnte.
Ilka Friedrichsen tat, als hätte sie das kleine Gesprächsintermezzo nicht mitbekommen. »Dann gehen Sie doch bitte schon ins Wohnzimmer. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee hätte ich fertig.«
»Machen Sie sich keine Umstände. Wir wollen nur mit Ihnen reden.« Oda warf einen Blick auf Peter Gerjets, der sich wieder in die Küche zurückzog, und wartete, bis sie im Wohnzimmer waren, bevor sie weitersprach. »Haben Sie die persönlichen Sachen Ihrer Schwester schon durchgesehen, oder hat Ihr Schwager das bereits vor Ihrem Eintreffen getan?«, fragte sie, als sie sich auf die alte Couch aus Tweedstoff setzten.
»Wie bitte? Die persönlichen Sachen? Was meinen Sie damit?«
»Na ja.« Christine übernahm das Wort. »Das Übliche eben: den Nachttisch, den Schrank, die Tagebücher?«
»Tagebücher?«
»Ja, hat Ihre Schwester Tagebuch geschrieben?«
»Ich hab keine Ahnung. Wenn, dann müssten die im Schlafzimmer sein. Aber da hab ich ja nichts zu suchen.«
»Also sind Sie bislang nicht dahintergekommen, weshalb Ihre Schwester auf ein Segelschiff ging, obwohl sie das Segeln ablehnte? Schade.«
Ilka Friedrichsen sprach langsam, als sie nun antwortete. »Hören Sie. Ich war seit sechzehn Jahren nicht auf der Insel. Als ich gestern hier angekommen bin, hat Peter mich hereingelassen und mir das Zimmer gezeigt, in dem ich übernachtet habe. Wir haben uns nur kurz unterhalten. Ich bin von Erinnerungen überrollt worden. Erst heute Morgen hab ich das Gefühl, wieder einigermaßen klar denken zu können. Es gibt so vieles, was jetzt auf uns einstürzt. Da ist die Pension, um die ich mich natürlich erst einmal kümmern werde, es gibt ja Buchungen, und gerade als Peter und ich dabei waren, alles durchzusprechen, haben Sie geklingelt.« Ilka Friedrichsen rüttelte sich zurecht, als sei sie wirklich gerade erst aufgewacht. »Ich hatte also überhaupt keine Zeit, Ilkas Sachen durchzugehen. Und ehrlich gesagt, ich
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