Mord Unter Segeln
genannt hatte. Es dauerte nur drei Klingelzeichen lang, bis sie sich meldete.
»Schöneberg hier«, sagte er. »Frau Cordes, es gibt da doch etwas, was ich Ihnen mitzuteilen habe.«
***
Christine saß auf dem Rad und radelte zur Pension »Sanddorn«, als ihr Handy klingelte. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor die Mailbox ansprang, es aus der Ledertasche zu ziehen und das Gespräch anzunehmen. Als sich Horst Schöneberg meldete, hielt sie an und stieg ab. Gern hätte sie sich jetzt auf eine Parkbank oder Ähnliches gesetzt, aber leider war gerade keine zu sehen. Die Vögel zwitscherten fröhlich, als sie ihr Rad an den Straßenrand schob und stehen blieb, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Denn ihren Block konnte sie jetzt nicht auch noch aus der Tasche ziehen und mitschreiben. Leider. Hatte ihr neues Handy eigentlich eine Aufnahmefunktion? Das wäre überaus nützlich, da musste sie in der Betriebsanleitung nachschauen.
»Es geht um die gelöschten Mails«, sagte Schöneberg, was für Christine nicht sonderlich überraschend kam, denn seine Unschuldsbeteuerungen hatte sie ihm ohnehin nicht abgekauft. »Ich hab wirklich nichts mit Simones Tod zu tun. Wie auch, ich war ja die ganze Zeit mit Edeltraud zusammen, die können Sie fragen, die bestätigt das. Also. Ich hab die Mails gelöscht, weil ich nicht wollte, dass Simones Mann sie liest. Da ging es nicht nur um das, was wir uns gegenseitig über unsere Partner schrieben. Da ging es auch um was anderes. Aber das muss jetzt, wo Simone tot ist, ja keiner mehr lesen. Da ist das doch alles völlig irrelevant.«
»Was ist irrelevant?« So einfach wollte Christine es ihm nicht machen.
»Das, was in den Mails stand«, druckste Schöneberg herum.
»Herr Schöneberg. Entweder Sie sprechen jetzt offen, oder wir sehen uns in einem persönlichen Gespräch auf der Polizeiinspektion wieder. Glauben Sie mir, unsere Experten werden jede einzelne Mail rekonstruieren, und dann werden wir sowieso lesen, um was Sie hier herumscharwenzeln. Sie tun sich einen großen Gefallen, wenn Sie nicht warten, bis wir Sie vorladen, sondern von sich aus erzählen.«
»Also gut. Sie ahnen es sicher schon. Ich hatte eine Art Verhältnis zu Simone.«
»Zu oder mit?«
»Zu. Unsere erotische Beziehung war zwar sehr intensiv, aber nicht mehr körperlich.«
»Bitte?« Christine konnte nicht verhindern, dass ihr dieses Wort recht lautstark herausrutschte. Was wollte Schöneberg ihr denn nun für einen Unsinn verkaufen?
»Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll«, sagte Schöneberg langsam. »Glauben Sie es, oder glauben Sie es nicht: Simone und ich hatten in der letzten Zeit eine sehr sexuelle Beziehung, ohne dass wir uns körperlich berührten.«
»Na, das müssen Sie mir aber wirklich genauer erklären.« Christine schüttelte den Kopf. Das war ja wohl das Dümmste, was sie seit Langem gehört hatte.
Schöneberg räusperte sich. »Unsere Beziehung basierte auf Telefon- und E-Mail-Sex.«
»Also, jetzt wollen Sie mich verkackeiern.« Beinahe hätte Christine die Beherrschung verloren, erst im letzten Moment konnte sie sich zusammenreißen.
»Ich wusste, Sie würden mir nicht glauben. Und genau aus diesem Grund habe ich die Mails gelöscht. Denn auch Peter hätte nicht geglaubt, dass ich seine Frau nicht mit meinen Händen berührt habe. Ich gebe zu, ich hatte schlichtweg Angst vor seiner Reaktion, denn er hat schon früher nicht gerade zimperlich reagiert, wenn er meinte, dass Simone einen Gast zu nett behandelte. Wobei Peter in das ›nett‹ immer etwas hineininterpretierte, was gar nicht der Fall war, wie Simone mir versichert hat.« Schöneberg klang angespannt. »Ich glaube, ich muss noch etwas weiter ausholen. Simone und ich haben uns bei einem meiner ersten Geschäftsbesuche auf Langeoog kennengelernt. Damals war sie auf Besuch bei ihrer Oma. Da war sofort etwas zwischen uns, und wir hatten eine kurze, aber heftige Affäre. Der Kontakt brach danach ab, das war, kurz bevor die Handys und das Internet jedermann zugänglich waren. Als ich gut drei Jahre später, ich war zwischenzeitlich in Baden-Württemberg beschäftigt gewesen, wieder auf Langeoog zu tun hatte, führte Simone die Pension ›Sanddorn‹. Ich war vollkommen überrascht. Es war ein eigenartiges Wiedersehen, aber natürlich lief nichts mehr. Damals, meine ich. Ich wollte das nur gesagt haben, denn wenn Ihre Experten wirklich alle Mails rekonstruieren, dann möchte ich, dass Sie … na ja …
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