Mord Unter Segeln
einfach zu gehen. Allerdings war er auch früher schon feige gewesen. Außerdem, was hätte Peter seiner Tochter sagen sollen?
Nein, auch Ilka würde Sophie nichts von früher erzählen. Nichts von dem, was damals geschehen war. Was dazu geführt hatte, dass sie und Simone keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Sie musste jetzt alles dafür tun, dass Sophie sich geborgen fühlte. Damit sie wieder gesund wurde.
»Ach, weißt du, ich glaub, Männer denken, dass Frauen in so einer Situation lieber allein miteinander reden wollen. Und dein Vater weiß, dass wir zwei uns noch nie begegnet sind. Vielleicht möchte er uns einfach die Gelegenheit geben, uns kennenzulernen. So von Tante zu Nichte, um Erinnerungen an deine Mutter auszutauschen, die eben nur Schwestern und Töchter haben. Ohne dass er dazwischensitzt.«
»Männer sind aber auch irgendwie komisch«, sagte Sophie. »Kann man die jemals wirklich verstehen? In meiner Klasse gibt's ein paar Jungs, da denk ich immer, ich kapier überhaupt nicht, wie die ticken.«
Wie zart und zerbrechlich Sophie da im Strandkorb saß. Das Tuch auf dem kahlen Kopf und die Hände um die Teetasse geschlungen, als wäre die momentan ihr einziger Halt.
»Aber um auf Mama zu kommen: Du bist die Ältere von euch beiden, oder?«
Ilka lächelte. Hatte Simone doch mit Sophie über sie geredet? »Ja. Ich bin knapp drei Jahre älter als deine Mutter.«
»Ich finde, du hast gar keine Ähnlichkeit mit ihr. Wem siehst du denn ähnlich? Eurem Vater oder eurer Mutter?«
Jetzt erst wurde Ilka bewusst, dass Sophie keinen aus ihrer Familie kannte. Auch Oma und Opa hatte es in ihrem Leben nicht gegeben, denn die waren ja kurz nach Simones Hochzeit ums Leben gekommen. »Hat deine Mutter dir denn keine Fotos gezeigt?«
»Nö. Die einzigen Fotos, die ich kenne, sind die, die Mama von mir und uns gemacht hat. Da haben wir einige Alben. Von Oma und Opa steht zwar ein Bild im Wohnzimmer. Aber da sind die ja schon alt und die Gesichter so klein, da kann ich nicht sagen, ob Mama mit einem der beiden Ähnlichkeit hatte. Von eurer Oma gibt's auch ein Bild, also von der, von der sie die Pension übernommen hat.«
»Omi Gesine. Das war eine wunderbare Frau.« Ilka räusperte sich. »Ich hab Fotos mitgebracht«, sagte sie zögernd. »Wenn du möchtest, zeig ich sie dir. Es sind Bilder von deiner Mutter und mir, als wir noch klein waren. Da sind auch unsere Eltern drauf. Und unsere Omi natürlich. Was meinst du, möchtest du sie sehen?«
»Oh ja. Das wäre wirklich klasse.« Sophies Augen strahlten. Ilka stand auf. »Ich bin gleich wieder da. Möchtest du noch einen Tee?«
»Lass mal, ich schenk mir selber ein.« Sophie griff nach der Kanne, und Ilka lief ins Haus, um das Album zu holen. Sie fühlte sich erleichtert, denn die Frage, warum sie so lange keinen Kontakt zu Simone gehabt hatte, hatte sie vorerst glücklich umschifft.
***
»Wir stehen also wieder ganz am Anfang«, stellte Oda ernüchtert fest, als sie die Reha-Klinik verließen. »So ein Scheiß. Wäre wirklich zu schön gewesen, wenn wir mit Harpstedt nicht nur den Täter, sondern auch das Motiv gefunden hätten.«
Sie liefen über den Weg, der eine frisch gemähte Rasenfläche teilte, zum Parkplatz. Immer noch war es sehr warm, es schien Oda, als würde ein Gewitter in der Luft liegen. Sie fischte ihr Handy aus der Hosentasche. Keine SMS von Jürgen. Enttäuscht steckte sie es wieder zurück, schalt sich im selben Moment jedoch eine Närrin. Was hatte sie denn erwartet? Dass er ihr hinterherhechelte, wo sie ihm gesagt hatte, er solle mal erst allein in die gemeinsame Wohnung ziehen? Ja, verdammt! Genau das hatte sie erwartet. Hatte es erhofft, erwünscht und vor allem gebraucht, um zu spüren, dass er es wirklich ernst mit ihr meinte. Dass er sich nun so gar nicht meldete, zeugte von gekränkter Eitelkeit. Wenn er hoffte, dass sie den ersten Schritt machte, konnte er aber lange warten. Nee, nee. Dazu war der Bock, den er geschossen hatte, viel zu groß.
»… noch mal nachfragen.«
Mist, jetzt hatte sie nicht zugehört, was Lemke gesagt hatte.
»'tschuldigung. Kannst du das noch mal wiederholen? Ich war grad mit den Gedanken ganz woanders.«
»Hab ich gemerkt.« Lemke war nicht begeistert. »Ich hab gesagt, wir müssen noch mal in Hooksiel vorbeifahren und den Tapken befragen. Er muss einen Schlüssel oder so gehabt haben, denn so ohne Weiteres kommt man ja nicht auf irgendwelche Jachten. Wir müssen herausfinden, wer sonst noch
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