Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
unerträglich. Er war ganz zerfressen von Hass. Er hasste sogar uns, Damaris und mich, weil wir lebten und Arthur gestorben war. O ja …«, sie hob erneut die magere Hand, um jeder Unterbrechung seitens des Vikars zuvorzukommen.
»In seinen Augen waren zwei Töchter nicht so viel wert wie ein Sohn.«
»Sie haben ihn gepflegt! Wo wäre er ohne Sie gewesen?«, rief James erschrocken.
»Oh, das. Das war eben damals so, das taten Töchter in jenen Zeiten. Jedenfalls unverheiratete Töchter wie Damaris und ich.« Florence machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Ich dachte, Damaris und ich würden niemals von ihm wegkommen, nicht solange wir jung genug waren, um etwas aus unserem Leben zu machen. Er war kein glücklicher Mann. Wir waren alle drei unglücklich in diesem Haus, alle drei. Also sparte ich sein Schlafmittel auf und gab ihm stattdessen Aspirin. Er wurde noch mürrischer und sagte, er könne nicht verstehen, warum er in letzter Zeit so schlecht schlief. Er wollte den Arzt um ein stärkeres Schlafmittel bitten. An jenem Abend war er so übellaunig, dass ich ihm vorschlug, einen guten Schluck Whiskey zu trinken, damit er schlafen könne. Er war kein großer Trinker, doch er stimmte zu. Ich schenkte ihm einen großen Tumbler ein!« Florence klang zufrieden.
»Und das Schlafmittel?« Pater Holland getraute sich kaum zu fragen.
»Ah, die Tabletten. Ich hatte bereits dafür gesorgt, dass er sie einnahm. Ich hatte sie in sein Abendessen gemischt, einen Hackfleischauflauf. Er liebte Hackfleischauflauf. Ich mochte ihn nie, und Damaris aß auch nichts davon, weil sie immer Magenprobleme bekam, wenn sie irgendetwas mit Hackfleisch zu sich nahm.«
»Oh«, sagte der Vikar schwach.
»Er schlief einfach ein«, fuhr Florence fort.
»Und das war es gewesen. Oder jedenfalls dachte ich, das wäre es gewesen, weil ich nicht gut darin bin, Sachen bis zum Ende zu durchdenken. Das habe ich auch schon Meredith und Juliet gesagt. Unser Arzt bestand darauf, eine Obduktion vorzunehmen, weil Vater eigentlich nicht krank genug gewesen war, um zu sterben. Als hätte das in seinem Alter eine Rolle gespielt. Trotzdem lief letzten Endes alles glatt, weil er dem Arzt gegenüber so viel davon geredet hatte, wie unfair das Leben doch sei, und der Coroner kam zu dem Schluss, dass es sich um Selbstmord gehandelt hatte.« Florence schürzte die Lippen.
»Er hatte Recht damit, dass das Leben unfair ist. Ich hatte nicht genügend nachgedacht, wie immer. Hätte ich nachgedacht, hätte ich erkannt, dass es für Damaris und mich bereits zu spät war. Wir würden Fourways House niemals verlassen. Wir steckten auf Fourways fest, für den Rest unseres Lebens. Vater zu töten war reine Zeitverschwendung gewesen, wirklich. Es machte auf lange Sicht nicht den geringsten Unterschied.« Pater Holland riss sich mühsam zusammen, bevor er antwortete.
»Florence, als Sie das getan haben, standen Sie unter großem Stress. Offensichtlich war Ihr Vater unerträglich schwierig geworden. Es ist eine Schande, dass Ihr Hausarzt damals nicht vorgeschlagen hat, ihn in ein Pflegeheim zu bringen.«
»Er wäre niemals in ein Pflegeheim gegangen!«, sagte Florence überrascht.
»Nicht solange er ein eigenes Dach über dem Kopf hatte und zwei Töchter, die ihn pflegen konnten. Außerdem gehören wir Oakleys nicht zu den Leuten, die ihre Probleme nach außen tragen. Wir kümmern uns selbst darum. Selbst dann«, fügte sie bedauernd hinzu,»wenn wir immer wieder Mist bauen.« Sie wandte den Kopf von Holland ab und deutete auf einen Stapel Magazine auf einem Nachttisch an der anderen Seite des Bettes.
»Die haben sie mir zum Lesen dagelassen. Ich hab gestern Abend eins gelesen. Darin steht ein Artikel über Gene. Ich habe vorher nicht gewusst, dass es so etwas wie Gene gibt. Aber wir alle haben Gene. Sie tragen alle möglichen Informationen in sich. Neigung zu bestimmten Krankheiten beispielsweise, und manche Leute denken, dass sie auch Verhaltensweisen bestimmen. Sagen Sie mir eins, Pater …«, Florence drehte den Kopf wieder zurück und begegnete seinem entsetzten Blick mit ernsten Augen.
»Glauben Sie, dass es ein Gen für Mord gibt? Wir Oakleys scheinen eine Neigung für Mord zu haben.«
KAPITEL 26
DAS ERKERFENSTER im Wohnzimmer der Zweizimmerwohnung zeigte hinaus auf die Promenade und den Strand und das Meer dahinter. Es war inzwischen Spätsommer, und die Promenade war voll mit Urlaubern. Im Winter würde die Zahl der Leute dramatisch zurückgehen, doch
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