Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
erzähle.«
»Sie haben doch bereits alles Superintendent Minchin erzählt. Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen, Florence«, beharrte Juliet.
»Nein, habe ich nicht!«, entgegnete Florence halsstarrig.
»Ich will es dem Vikar erzählen.«
»Er wird bald kommen, Florence … oh!« Meredith blickte erleichtert auf, als sie schwere Schritte vernahm.
»Er ist schon da.« James Hollands massiger Leib füllte den Eingang aus. Meredith erhob sich, und Juliet folgte ihrem Beispiel. James näherte sich dem Bett so leise, wie er konnte.
»Guten Morgen«, flüsterte er.
»Wie geht es ihr?«
»Sie hat irgendetwas auf der Seele, über das sie mit Ihnen reden möchte«, sagte Meredith, bevor Juliet sprechen konnte. Juliet blickte von der Frau im Bett zu Meredith und wieder zurück. Dann sagte sie leise zu Florence:
»James Holland ist hier. Meredith und ich gehen jetzt. Aber wir kommen morgen wieder.«
»Das wäre sehr nett«, erwiderte Florence mit erschreckend leerer Stimme.
»Was halten Sie davon?«, fragte Juliet drängend, als sie das Krankenhaus verließen.
»Ich weiß es nicht, aber es geht uns auch nichts an. Was auch immer es sein mag, es ist eine Sache zwischen ihr und Gott. Deswegen wollte sie James sehen«, sagte Meredith entschieden. Juliet blickte sie kläglich an, doch sie widersprach ihr nicht.
»Wann fahren Sie zurück nach London?«, fragte Meredith.
»Ich dachte, vielleicht hätten Sie Lust vorbeizukommen und mit uns zu Abend zu essen, oder besser noch, wenn ich meine Kochkünste bedenke, wir gehen alle zusammen irgendwo etwas essen?«
»Danke, aber das müssen wir auf ein andermal verschieben. Ich fahre noch heute Nachmittag nach London zurück, gleich jetzt. Ich bin nur noch hier, weil ich nachsehen wollte, wie es Florence geht, und das habe ich jetzt getan.« Juliet zögerte.
»Ich muss fahren, weil ich heute Abend in London eine Verabredung habe.«
»Oh?« Meredith fragte sich, ob sie als Nächstes den Namen von Juliets Verehrer erfahren würde. Mit hochrotem Gesicht fuhr Juliet fort:
»Ich gehe mit Doug zum Essen.«
»Doug? Sie meinen doch wohl nicht Minchin, Superintendent Doug Minchin?« Meredith blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihre Begleiterin an.
»Sie müssen nicht so überrascht sein«, sagte Juliet eingeschnappt.
»Dorothy Parker hatte nicht Recht mit ihrer Bemerkung über Frauen, die Brillen tragen, das hab ich Ihnen gleich gesagt! Obwohl …« Sie zögerte.
»Doug mag meine Brille nicht. Aber er wird sich daran gewöhnen müssen, nicht wahr?« Juliet überlegte.
»Ich meine, ich mag seine Hemden ebenfalls nicht!«
James Holland hatte neben dem Krankenbett Platz genommen.
»Haben Sie Schmerzen, Florence?«
»Nein.« Florence bewegte verneinend den Kopf auf dem Kissen.
»Man hat mir Medikamente gegen die Schmerzen gegeben.«
»Gut. Ich wollte sowieso vorbeikommen und Sie besuchen, aber dann hörte ich, dass Sie nach mir gefragt haben. Ich bin sofort gekommen, deswegen konnte ich keine Blumen und kein Obst mehr besorgen, aber Sie scheinen in dieser Hinsicht gut versorgt zu sein.«
»Ja.« Florence bewegte eine gebrechliche Hand, die aus nichts als Haut und Knochen bestand, überzogen mit dunklen Hämatomen.
»Ich muss Ihnen von ihm erzählen.«
»Von Jan?«
»Jan?« Für einen Augenblick schien Florence vergessen zu haben, wer Jan Oakley war. Dann kam es ihr wieder zu Bewusstsein.
»Nein, nein, nicht Jan. Ich meine meinen Vater.«
»Ah …«, sagte Pater Holland.
»Ich habe von ihm gehört. Alan hat mir von ihm erzählt. Er hat seine Schlaftabletten aufgespart und äh, dann hat er alle auf einmal genommen.«
»Nein, hat er nicht«, sagte Florence übellaunig.
»Genau hier irren Sie. Er hat sie nicht aufgespart. Das war ich.« Der Vikar spürte, wie eine kalte Hand sein Herz umfasste.
»Ich glaube, Sie sind ein wenig verwirrt, meine Liebe. Ich nehme an, dass es von den Schmerzmitteln herrührt.«
»Es hat keinen Sinn, dass Sie hergekommen sind«, sagte sie, und zum ersten Mal wurde sie ein wenig lebhafter,»wenn Sie mir nicht zuhören wollen.«
»Ich höre zu, Florence«, sagte Holland zerknirscht.
»Bitte entschuldigen Sie.«
»Er war ein sehr guter Vater, als wir klein waren.« Florence wandte ihm den Kopf zu und sah ihm streng in die Augen.
»Das müssen Sie mir glauben. Aber er veränderte sich, als Arthur starb. Dann starb auch Mutter, und er wurde noch schlimmer. Schließlich zwang ihn die Arthritis in den Rollstuhl, und er wurde
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