Mord zur Bescherung
Professor nicht mit offenen Armen empfangen und ihn gebeten, mit ihr über die guten alten Zeiten zu sprechen. Und dann war da noch die Sache mit Lindsey. Er hatte Lindsey offensichtlich ins Herz geschlossen. Ihre Tochter reagierte sehr viel freundlicher auf ihn als ihre Mutter.
»Das sind ja interessante Nachrichten«, murmelte sie vor sich hin, und ihre Augen wanderten zu der Doppeltür, die sich gerade hinter dem Mann geschlossen hatte, der versuchte, ihre Tochter zu stehlen.
Zu stehlen?
Es war ihr völlig egal, dass Jake Truebody sie vielleicht nicht leiden konnte. Es war ihr egal, dass er ihren totenMann gekannt hatte, solange er die Vergangenheit nicht wieder aufleben ließ. Die Vergangenheit war tot.
Ihr lag nur Lindsey am Herzen. Vielleicht sollte sie mal mit ihr sprechen, ihr vor Augen halten, dass sie so gut wie gar nichts über den Mann wussten? Das war nicht ganz leicht. Lindsey war sehr unabhängig. Ihre Mutter mischte sich kaum in ihr Leben ein. Wenn sie jetzt damit anfing, konnte es Probleme geben.
Elf
Lindsey Driver hatte ihrer Mutter versprochen, die Übergabe des Theaterpferdes an den Lieblingstaxifahrer ihrer Großmutter zu überwachen.
Während sie auf seine Ankunft wartete, tat sie Dienst am Empfang und erledigte gleichzeitig einen kleinen Auftrag des Chefkochs. Dabei trällerte sie ein albernes Liedchen vor sich hin und hatte ein Rentiergeweih aus Plastik auf dem Kopf, das überdeutlich zeigte, dass sie nun wirklich in Weihnachtsstimmung kam. Genau wie ihre Mutter war sie erleichtert, dass die Büroweihnachtsfeiern endlich vorbei waren, und freute sich wie ein Kind, dass von jetzt ab alles locker laufen würde und es dann nur noch Essen und Spaß geben würde und was sonst so alles zu Weihnachten gehörte. Keine Füllung musste mehr in Truthähne gestopft werden, keine sabbernden, mit Mistelzweigen bewaffneten jungen Männer jagten sie mehr durchs Hotel, und niemand tanzte mehr zu den Hits der siebziger Jahre, die ein DJ mit blonder Perücke und einer Gold-Lamé-Weste auflegte.
Kein Geflügel mehr zu füllen,
Keine Witze mehr zum Brüllen,
Nie mehr blöde Lieder singen,
Morgen wird was Bess’res bringen.
Die Melodie war nicht sonderlich originell, die Worte hatte sie sich gerade aus dem Ärmel geschüttelt, aber das war Lindsey herzlich egal. Der Countdown für das eigentliche Weihnachtsfest hatte angefangen.
Hinter dem Empfangstresen verborgen, rollte sie durchwachsenen Speck um die Chipolata-Würstchen, die es am ersten Feiertag zum Truthahn geben würde. Das gehörte normalerweise nicht zu ihren Aufgaben, aber Anna würde ja nun jeden Augenblick ihr zweites Kind bekommen und musste sich immer wieder einmal hinlegen. Manchmal fragte sich Lindsey, ob es sinnvoll war, dass sie überhaupt noch zur Arbeit erschien.
»Vielleicht kriege ich mein Kind hier«, hatte sie scherzend und mit strahlendem Lächeln zu Lindsey und ihrer Mutter gesagt. »Ob ich da wohl Geschenke von den Weisen aus dem Morgenland bekomme und ein schönes Schaffell von den Hirten? Ich hätte wirklich gern ein Schaffell. Das könnte ich vor meinen Sofatisch legen.«
Honey hatte sie darauf hingewiesen, dass sie sich im Green River Hotel und nicht in einem Stall befanden und dass der Erste-Hilfe-Kasten kaum mehr als Pflaster für Schnittwunden an Fingern und Kopfschmerztabletten enthielt.
Anna war nicht die Einzige, die sich nicht besonders gut fühlte. Smudger Smith, der Chefkoch, war auch nicht hundertprozentig auf dem Posten. Das hatte allerdings nichts mit einer Schwangerschaft zu tun, aber sehr viel damit, dass er am Vorabend dem weihnachtlichen Schnaps ein wenig zu begeistert zugesprochen hatte. Er ließ sich einfach immer wieder in die Büroweihnachtsfeiern hineinziehen, tanzte mit, bis die Beine unter ihm nachgaben und ihn jemand daran erinnerte, dass am nächsten Morgen in aller Frühe ein Job auf ihn wartete – oder vielmehr, dass er bald keinen mehr haben würde, wenn er jetzt nicht mit Feiern aufhörte und machte, dass er ins Bett kam.
Honey hatte ihm untersagt, an den Feiern im Hotel teilzunehmen, aber das hatte nichts genützt. Da klinkte er sich eben einfach außerhalb des Hotels in die Festlichkeiten ein.So war er wahrscheinlich gestern Abend an das Theaterpferd gekommen, auch wenn er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wo er es herhatte.
So wie der Empfangstresen konstruiert war – ein hoher Tresen für die Gäste, die sich eincheckten, und eine niedrigere Arbeitsfläche für die Leute, die
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