Mord zur besten Sendezeit
Schloss. Die Tür öffnete sich knarrend. Ein Geruch nach Schmutz, Staub und dem allgemeinenModer der Vernachlässigung schlug ihr entgegen. Es war, als würde man unter einer schmutzigen alten Decke erstickt, auf der immer der Hund geschlafen hatte – und schließlich gestorben war.
Honey atmete einen Mund voll staubiger Luft ein und machte den ersten Schritt.
Wie sie vermutet hatte, waren hier vor allem Spinnen zu bekämpfen. Spinnweben überall! Manche waren wie kleine Hängematten an die Fenster drapiert, klebten in den Ecken, und in allen befanden sich tote Fliegen in ihren Leichentüchern aus grauer Gaze. Eigentlich hätten die Fliegen die Fallen sehen müssen. Eigentlich hätten die anderen toten Fliegen ihnen eine Warnung sein müssen. Vorsicht! Nicht hierher kommen! Waren Fliegen echt so blöd? Natürlich waren sie das.
Drinnen war der eklige Geruch noch stärker als draußen. Die alte Bude war wirklich schrecklich. Trotz all der vorhandenen Luxuseinrichtungen würde sie eine ziemlich große Summe ausgeben müssen, um Cobden Manor in ein Hotel zu verwandeln. Dieses Außengebäude sollte sie wahrscheinlich lieber abreißen lassen.
Immer positiv denken!, ermahnte sie sich. Auch dieses Gebäude lässt sich noch retten und umbauen, und für Cobden Manor sprach tatsächlich einiges. Schließlich hatte das Herrenhaus sogar einen Panikraum, noch dazu einen mit ferngesteuerter Badfüllanlage und vollem Kühlschrank.
Nicht bezugsfertig.
Ah ja. Ihr Instinkt meldete sich. Man musste die Angaben in den Maklerbroschüren immer mit äußerster Vorsicht genießen.
Sie trat mit dem Fuß nach einem Büschel Brennnesseln, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, im Inneren des Hauses zu wachsen. Den Samen hatten wahrscheinlich irgendwelche Nagetiere hier hereingetragen. Die Nesseln waren mickrig und weißlich-grün.
Ins Haupthaus konnte man sofort einziehen. Diese halbeRuine jedoch, die in der Maklerbroschüre in der Untertreibung des Jahrhunderts als nicht bezugsfertig bezeichnet wurde, war eher eine Kulisse für einen Horrorfilm.
Die Spinnweben waren innen und außen an den Fenstern. Deswegen war es im Inneren des Gebäudes auch so finster; sie sperrten wie Jalousien das Tageslicht aus.
Honey fand einen alten Besen und attackierte die Spinnweben, während sie vor sich hin murmelte: »Es werde Licht!«
Sobald sie fertig war, wischte sie sich irgendein Krabbeltier von der Schulter und schaute sich um.
Früher einmal hatte man dieses Gebäude vielleicht als Vorbereitungsraum für die Küche genutzt. Hier fanden sich ein großer viktorianischer Küchenschrank, ein riesiger Küchentisch und Haken für Töpfe und Fleisch an der Decke. Möglicherweise hatte man hier auch geschlachtet und Tiere zerlegt und Butter gemacht, ehe man alles in kleineren Gefäßen in die eigentliche Küche trug. An der hinteren Wand war ein riesiger Kamin mit einem breiten Sims aus Eichenholz, und in einer Ecke lagen sogar ein paar einsame staubige Holzscheite.
Honey schaute noch einmal in den Angaben des Maklers nach: »Das Außengebäude unweit des Haupthauses ist praktisch unberührt und besitzt sehr viel historischen Charakter.«
»Ja, und Staub und Spinnweben«, fügte sie hinzu und schnippte mit dem Finger nach einer Spinne, die von einem Deckenbalken aus Anstalten zu einer Trapeznummer zu machen schien.
Der Boden mit seinen unebenen Tonfliesen war nicht gerade das Richtige für ihre hochhackigen Pumps. Du hättest eben deine Autoschuhe anbehalten sollen, sagte sie sich. Das hast du jetzt davon, dass du so eitel bist.
Doch sie hatte ja nur so aussehen wollen, als könnte sie sich dieses Herrenhaus wirklich leisten. Und das konnte sie! Oder nicht? Die endgültige Entscheidung lag beim Filialleiter ihrer Bank. Lindsey hatte ja bereits Zweifel geäußert. Ihre Bemerkungen gingen Honey durch den Kopf: »Was ist mit Läden?Was ist mit deinem Privatleben?«, hatte Lindsey gefragt. Und was war mit Doherty, fügte ihre eigene innere Stimme hinzu.
Honey seufzte und sagte sich zum wiederholten Male, dass sie ja noch keine Entscheidung getroffen hatte. Also kannst du deiner Phantasie freien Lauf lassen. Schau dich gut um und stelle deine Nachforschungen an.
Der riesige Kamin war eine echte Attraktion. Sie hatte immer schon ein Haus mit einem solchen Kamin haben wollen, in dem im Winter ein freundliches Holzfeuer loderte und im Sommer ein üppiges Blumengesteck stand. Die dunkle Höhle des Kamins schrie geradezu danach, dass man sie näher
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