Mord zur besten Sendezeit
Honey, es tut mir leid, aber ich bin wirklich mit der Arbeit hinterher. Wir reden irgendwann nächste Woche mal. Okay?«
»Okay.«
Es fiel ihr sehr schwer, doch sie stimmte zu. John Rees war wegen irgendwas ziemlich nervös, aber er wollte nicht damit herausrücken.
Adam Rolfe ist Johns Freund. Er machte sich wahrscheinlich Sorgen um ihn. Honey winkte John zu. »Gut. Wenn du es dir noch mal anders überlegst, worum immer es ging, dann melde dich.« Sie schaute auf die Uhr. »Oh, ich muss wirklich weg.«
Er winkte ihr ebenfalls, und sein Mund verzog sich zu einem halben Lächeln. »Bis bald.«
Sobald Honey draußen war, atmete sie tief durch. John Rees wich ihr aus. Sie hatte sich gelobt, wenn er sich weiter so verhalten würde, käme Plan B zum Zug. Wenn er ihr nicht offen sagte, was los war, dann würde sie das auch nicht tun. Sie würde verdeckt ermitteln. Sie würde schon herausfinden, was Sache war.
Eine verdeckte Ermittlung – das war aufregend. Plötzlich verspürte sie das Bedürfnis, sich von jemandem beraten zu lassen, und wollte schon bei Doherty anrufen, konnte sich aber gerade noch bremsen. Steve lag allein im Bett und konnte sich nicht rühren, und da sollte sie anrufen und mit ihm über John Rees sprechen? Da gäbe es zu viel zu erklären, und das wollte sie nicht. Dass sie überhaupt mit John Rees in näherem Kontakt stand, würde Doherty nur eifersüchtig machen.
Bisher hatte sie John immer nur zum Vergnügen in seinem Buchladen besucht, und er hatte sich stets gefreut, sie zu sehen. Gerade eben war er so nervös gewesen, als befürchtete er, ein Damoklesschwert könnte auf ihn niedersausen – oder vielmehr, sie könnte ihm eine Frage stellen. Er hatte ja zugegeben, dass Adam Rolfe sein Freund war. Und neulich abends im Römischen Bad hatte Arabella ihm zugewinkt und ihn angelächelt.
Ein schrecklicher Gedanke ging Honey durch den Kopf: Hatte John gar etwas mit Arabellas Tod zu tun?
Als sie das Ende der kleinen Straße erreicht hatte, schaute sie noch einmal zu dem Laden zurück. Einerseits wollte sie der Polizei (sprich: Steve Doherty) ihre Vermutung mitteilen, dass Rees mehr wusste, als er zugab. Andererseits weigerte sie sich, zu glauben, dass John auch nur eine einzige verbrecherische Zelle in seinem muskulösen, äußerst begehrenswerten Körper hatte.
Hörst du wohl auf! Sie war sich nicht sicher, ob es die Stimme des Gewissens oder eine telepathisch übermittelte Botschaftvon Doherty war. Was auch immer, Honey konnte es einfach nicht über sich bringen, einen so lieben Freund bei der Polizei anzuschwärzen. Nicht, ehe sie sich nicht sicher war. Also musste sie herausfinden, was los war.
Einundzwanzig
Zur Regierungszeit von Königin Viktoria waren vorgewölbte, große Schaufensterscheiben mit einem kleinen Messinggeländer der letzte Schrei für Läden gewesen. In der Zeit davor waren die Fronten auch geschwungen gewesen, hatten sich aber aus vielen kleinen Scheiben zusammengesetzt, deren Glas bei der Herstellung manchmal Schlieren bekam.
Durch eine solche Scheibe betrachtete John Rees die Leute, die sich in der engen Gasse drängelten und manchmal über die schiefen Steinplatten stolperten, die beinahe so alt waren wie die Gebäude. Nur ein kleiner schmaler Streifen Sommerhimmel schimmerte zwischen den Häusern hindurch.
Wenn man sie durch das schlierige Glas sah, wirkten die Gesichter der Menschen in der Menge seltsam verzerrt, manche waren langgedehnt, andere beinahe kugelrund.
John trat vom Fenster zurück. Die wohlvertrauten Gegenstände im Laden beruhigten seine aufgewühlten Nerven ein wenig.
Unmittelbar nach Honeys Abgang waren zwei Herren aus Rotterdam hereingekommen. Sie hatten über eine Stunde damit zugebracht, seine Sammlung von Atlanten zu durchstöbern, und entgegen seiner Gewohnheit hatte er sie einfach allein gelassen.
Wie sie die Köpfe zusammengesteckt und sich mit gerundeten Schultern über seine Bücher gebeugt hatten, erinnerten sie an Herren in schwarzen Kniehosen und Wamsen, wie man sie auf den Gemälden alter niederländischer Meister sieht.
Rechts von der Tür schimmerten goldene Prägebuchstaben auf ledernen Buchrücken aus den Regalen. Links davon lagen schwere Atlanten auf einer Reihe von Lesepulten, die die ganzeWand entlang verlief. Über den Atlanten hingen enggedrängt Landkarten in Ebenholzrahmen.
John Rees war die Leidenschaft anzumerken, die er für das empfand, was er verkaufte. Es widerstrebte ihm zutiefst, seine Schätze an Leute
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