Mord zur besten Sendezeit
Vorbild. Sabrina sagte: »Notieren Sie doch bitte.« Sie nannte mir ihre Adresse, die ich sofort auswendig lernte. Ich kann das mit bis zu dreißig Adressen auf einmal. Der Weltrekord liegt bei ungefähr dreitausend. Nicht ganz dicht dran, aber ich bleibe am Ball.
Wir verabschiedeten uns und legten auf. Ich grub in den Sofakissen nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher an. Und da war es, auf Channel Six, dem Sender mit der Hyäne als Logo: Party Girls fing an. Meine Lieblingsshow. Ein absolutes Muß, vor allem an solchen Freitagen. Es muß natürlich nicht unbedingt jeder wissen, daß ich ein Fan von dieser Show bin. Aber ich gebe gerne zu, mein Vergnügen daran zu haben, zu beobachten, wie die Leute beim Essen kleckern. Ich genieße es, Zeugin eines verdienten Schlags in die Fresse zu werden oder einer gekonnten Abfuhr. Ich habe Spaß daran, Leute zu sehen, die in der Öffentlichkeit wild herumknutschen, sich mit Wein vollaufen lassen, lachen und sich an den Weichteilen befummeln. Also, das ist wirklich Unterhaltung, von den soziologischen Offenbarungen gar nicht zu sprechen.
Und Sabrina war die Herrin über dies alles. Sie trug die gewagtesten Röcke aller Zeiten — immer mindestens 20 Zentimeter über dem Knie, trotz der neuen längeren Mode — und hatte dafür auch die richtigen Oberschenkel. Sie trug gerne flauschige Kaschmirpullover mit Perlen und betonte damit den Jungfrauen-/Nutten-Look. Und ihre Schuhe — immer zehn Zentimeter hohe Geschichten mit Pfennigabsätzen, häufig aus Metall — wurden freundlich als die »oops mich«-Pumps bezeichnet. Ihre Haare, von einem Feuerrot, das die Natur sich nie im Leben so ausgedacht hatte, war in einen ordentlichen Pagenschnitt gebracht. Ihre Lippen waren voll, ihre braunen Augen groß und ihre Beine endlos. Und da sagen die Leute noch, ein Meter neunzig große Sexbomben sollten flache Absätze tragen. Ihr Benehmen war eisig, was sie um so geheimnisvoller erscheinen ließ. Die Mädchen wollten so sein wie sie. Die Groupies versuchten, ihre merkwürdige, aber anziehende Verbindung von Feuer und Eis nachzumachen. Die Jungs wollten sie bumsen und ihre eisige Oberfläche wegschmelzen. Ich wollte einfach nur mal was mit ihr unternehmen. Vielleicht würden wir zusammen Pumps einkaufen gehen, wenn das alles hier vorbei war, und dann auf Seite sechs der Tratschecke des Daily Mirror erscheinen. Es ist eines meiner Lebensziele, eine Erwähnung auf der Seite sechs zu erreichen.
Sabrinas Bild erschien auf meinem Bildschirm und füllte ihn mit ihrer makellosen Haut. Sie öffnete den Mund, als würde sie gleich die Kamera lecken, und bemerkte: »Heute abend fühle ich mich richtig gefährlich«, wobei sie die Augen weit aufriß. Das Publikum, bestehend aus College-Burschenschaften-Idioten und Sekretärinnen mit hochtoupierten Haaren aus Staten Island, kreischte auf, wie es die Bremsen bei einer Karambolage von fünf Autos nicht besser hätten tun können. Das Wummern von Heavy Metal dröhnte aus meinen Fernseherlautsprechern, und die einleitende Filmsequenz von jungen attraktiven Frauen und Männern in unterschiedlichen Stadien der Entkleidung lief zum Erkennungsjingle, zu dem man die Fäuste auf und nieder pumpte. Ich machte es mir auf meiner Couch gemütlich und lächelte. Nichts ist so gut wie einfältige Vergnügungen, dachte ich, während ich mir noch einen Schluck Tequila gönnte.
Wie die meisten Dinge, die einen sofort befriedigen, ist die Show einfach gestrickt. Im wesentlichen tun die Produzenten nicht mehr, als zwanzig ausgesprochen junge und gutaussehende (wenn nicht fast schon zu gelackte) Leute über drei Stunden in einen Raum zu sperren. Getränke und Imbisse gibt es zuhauf, inklusive Budweiser in Strömen, da die Firma einer der Sponsoren der Show ist. Fünf der zwanzig Teilnehmer werden danach eingeladen, um in der Show über die Fete zu erzählen und zu entscheiden, wer von der ganzen Truppe das Ultimate Party Girl und wer der Ultimate Party Gwywar. Die beiden kriegen dann eine Reise in das Sandal’s Resort in Dunn’s River auf Jamaika spendiert, wo selbstverständlich die ununterbrochene Fete weitergeht. Die fünf glücklichen Bewerber sind meistens die telegensten aus den ursprünglichen zwanzig. Man sucht sie quotenmäßig aus, nach Typen. Das habe ich bei einer sorgfältigen Analyse herausbekommen, nachdem ich die Show schon mehrere Monate lang gesehen hatte. Alle Bewerber sind gesund und zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahre alt. Immer
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