Mord zur besten Sendezeit
vor, daß ich ihn wie einen Schmetterling freisetzen und hoffen würde, daß er anschließend auf einer Wolke totaler Anbetung zu mir zurückkehren würde. Es ist allerdings wahrscheinlicher, daß ich ihn anbetteln würde, nicht zu gehen. Er würde bleiben und mir das den Rest seines Lebens übelnehmen, was er aber erst mit fünfzig merken würde, wenn er in seine Midlife Crisis hineinschlitterte. Und dann würde er anfangen, Motorrad zu fahren und Zwanzigjährigen nachzustellen. Ich wäre dann eine Sitzengelassene mit gebrochenem Herzen, und ich könnte noch nicht einmal behaupten, daß ich einen echten Rock’n’Roll-Star gebumst hatte.
»Hallo? Erde an Raumstation Tagträumerei, Erde an Tagträumerin?« rief mir Santi zu, weil ich in der Küche stand und die Gabel mitten in der Luft hielt, mit herunterbaumelnden Linguine. »Die Show fängt wieder an, also trag mal deinen Hintern hier rüber. Sabrina sieht ja heute abend wieder mal entzückend aus. So niedlich. Sie erinnert mich daran, wie ich in ihrem Alter aussah.« Sabrina Delorean war erst vierundzwanzig Jahre alt. Sie hatte als Wetteransagerin bei der Lokalnachrichtenredaktion eines Vermonter Senders angefangen (in der Nähe des Ortes, in dem ich ins College gegangen bin), als sie noch an der University of Vermont studierte. Es wird gemunkelt, daß sie ihren großen Durchbruch erlebte, als sie einen Bericht über eine beeindruckende geologische Formation am Appalachian Trail drehte. Ein wilder Bergwolf erschien aus dem Nichts, attackierte einen Kameramann und warf ihn in eine Schlucht. Der Kameramann landete hart und tief unten, aber er atmete noch, wenn auch nur schwach. Sabrina seilte sich mit einem Elektrizitätskabel zu ihm ab und belebte den blutenden und halbtoten Kameramann wieder. Sie wurde durch die Sache zu einer Lokalheldin, und ihre Geschichte wurde von AP in alle Welt geschickt. Irgendein heißdüsiger Senderfritze sah ihr Bild und lud sie ein, sich um eine Stelle bei einer neuen Spielshow des Hyena Network zu bewerben, die live auf Channel Six von New York aus gesendet werden sollte. Das war vor zwei Jahren. Der Rest steht in den Geschichtsbüchern der Gameshows geschrieben.
Ich setzte mich mit meinem Teller zu Santi auf die Couch. Die Heavy-Metal-Musik wummerte immer leiser durch den Äther, während Sabrina an einer Flasche Evian nippte — einer der anderen Sponsoren der Show. Sie sagte: »Junggeselle Nummer zwei — Darren — sagte mir vor der Show, daß... ach, Darren, erzähl ihnen das doch selber.«
»Die Sache mit den Dehnübungen, meinst du?«
Sabrina sagte: »Nein, deine Regeln für das Gespräch mit Frauen.«
Darren im blauen Hemd setzte sich zackig auf. Er sagte: »Meine Regel Nummer eins: Ich rede nicht über mich selbst. Regel Nummer zwei: Wenn ich doch über mich selbst rede, dann darüber, wie meine Gefühle für sie sind. Sie ist hübsch, hat einen Super-Vorbau, sie törnt mich an. Du weißt schon. Regel Nummer drei: Ich sehe zu, daß sie nicht gelangweilt von dannen zieht. Ich versuche, immer mal ein paar Witze zu erzählen, damit die Mädchen interessiert bleiben.«
»Zum Beispiel?« fragte Sabrina.
»Willste einen hören?« Die Menge applaudierte. Darren sagte: »Ein Rabbi, ein Priester und ein Schlangenbeschwörer aus Kalkutta gehen die Straße hinunter...«
»Macht euch nicht die Mühe, weiter zuzuhören«, zickte Leopardenmuster. »Er sieht gut aus, aber seine Witze sind beschissen.«
Sandra die Stewardess sagte: »Seine Witze waren irrsinnig komisch. Ich hab mir fast in die Hosen gemacht vor Lachen.« Sie trug ein Kleid.
»Gab es irgend etwas an ihm, was du eigentlich doch mochtest?« fragte Sabrina das Leopardenmuster.
Sie wand sich auf der Couch. »Ich mochte die Art, wie seine Zunge über meine Zähne glitt, als ob sie ihre lang verloren geglaubte Heimat gefunden hätte.« Die Menge johlte auf und stöhnte. Die Männer hieben sich auf die Schultern.
»Moment mal«, sagte die Stewardess. Alles wandte sich zu ihr. Sie lehnte sich vor, damit man besser in ihren Ausschnitt blicken konnte, und sagte: »Darren, du hast mir doch gesagt, du wärst an ihr nicht interessiert. Du hast mir gesagt, sie gäbe dir das Gefühl, du müßtest gleich reihern.« Die Menge krähte und kicherte, während Darren und Leopardenmuster glühend rote Gesichter bekamen (obwohl, das rate ich nur — auf meinem Bildschirm waren sie nämlich lila).
Santi wedelte ihre Hand in Richtung des Fernsehers und schnaubte durch die Nase. »Geh
Weitere Kostenlose Bücher