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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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schloß eilig meine Wohnungstür ab und folgte ihnen nach draußen. Es regnete leicht, ein schlechter Tag für meine Frisur. Ich stellte mich dem Fahrer vor, der inzwischen am Steuer saß und dort an irgendwelchen Knöpfen und Schaltern auf dem Armaturenbrett herumfummelte.
    Er sagte: »Nett, Sie kennenzulernen, Mum. Ich heiße Simon.«
    Er hatte den Cockney-Akzent, den man mit Punkbands aus den späten siebziger Jahren in Verbindung bringt. Aber selbst zu Zeiten meiner Punkphase in der High School hätte ich Simon wahrscheinlich nicht attraktiv gefunden. Er hatte Pockennarben im Gesicht, und seine Ohren waren wohl eine Sonderanfertigung. Und sein Körper auch. Groß wie Max war wunderbar, riesig war eklig.
    »Was?« fragte Buster. Hatte ich etwas gesagt?
    Die Seite des Wagens öffnete sich wie eine Thunfischdose. Eine rollende Auffahrt schob sich auf die Straße hinaus. Buster brachte seinen Stuhl auf Touren und fuhr hoch, während sie sich hinter ihm schon wieder aufrollte. Die Seite des Wagens schloß sich, als er drinnen angekommen war. Ich kletterte auf den Selbstmordsitz neben Simon.
    »Beeindruckend, nicht wahr?« fragte Buster von hinten.
    »Was?« fragte ich zurück, und Buster winkte genervt ab.
    Ich gab Simon die Adresse in Bay Ridge und ging davon aus, daß wir mindestens einmal anhalten müßten, um uns durchzufragen. Aber er machte sich direkt zum Gowanus Parkway auf, als wäre er schon tausendmal da gewesen.
    »Sie sind schon mal in Bay Ridge gewesen«, stellte ich fest.
    »Nein, ich nicht, aber der Computerbildschirm schon.« Ich sah über seine Schulter auf den Bildschirm im Armaturenbrett. Eine Karte von Brooklyn flimmerte darauf, und eine blinkende weiße Linie wies von Park Slope nach Bay Ridge. Eine Anzeige in der Ecke sagte voraus, welche Ampeln rot oder grün sein würden. Des weiteren wurden Parkplätze, die groß genug für unser Gefährt waren, angezeigt, falls wir halten wollten. Das hier war eindeutig die aufwendigste Thunfischdose, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.
    »Geld kann mir keine Liebe kaufen, Wanda«, sagte Buster.
    Es kann ihm auch kein neues lebendiges Bein kaufen. »Es kann allerdings ein Frühstück für mich kaufen.« Ich hatte schließlich gestern abend kein richtiges Abendbrot zu mir genommen. Klar, meine Bauchdecke mochte wohl etwas flacher geworden sein, aber ich starb förmlich vor Hunger.
    »Du wirst wahrscheinlich Ketchup auf dein Rührei tun«, sagte er treffend voraus. »Das kann ich mir nicht angucken.« Knauseriger Bastard, dachte ich.
    Ich merkte, daß wir uns Bay Ridge näherten, als alle Restaurants, Reinigungen und Automechaniker Aldo’s, Vinnie’s oder Frankie’s hießen. Die Gegend war allerdings im wesentlichen eine Wohngegend. Entlang der Strecke zählte ich die christlichen Darstellungen auf den Veranden. Fünf blinkende Jesusfenster, drei Postkästen in Form eines Kruzifixes und zwei Krippen mit Esel — und das noch vor Thanksgiving, also dem vierten Donnerstag im November. Als wir tiefer nach Bay Ridge hineinkamen, wurden die Häuser immer größer und die Büsche immer eckiger. Die Häuser auf der Shore Road waren nicht die Brownstones, die man in Park Slope und in Brooklyn Heights findet. Es waren Villen, die denen in Short Hills vergleichbar waren, obwohl sie dichter gedrängt standen und kleinere Vorgärten hatten. Wir fuhren auf die Stadtmitte zu. Ich konnte Knoblauch riechen, als wir die Eighty-sixth Street hinunter fuhren, die Hauptstraße. Eine Kurve nach links, eine nach rechts, und wir setzten unser Auto auf unseren computergesteuerten Parkplatz, der sich einen Block entfernt vom Bestattungsinstitut Our Lady of the Crying Virgin befand.
    Wir stiegen aus. Simon zog es vor, im Van zu warten. Buster raste den Bürgersteig hinunter; offensichtlich hatte er seinen Rollstuhl in den dritten Gang geschaltet. Er schlug mich um Längen auf dem Weg zum Bestattungsinstitut. Vor dem Gebäude befanden sich haufenweise Typen in abgewetzten Mänteln und mit stinkenden Zigarren im Gesicht, also entweder Journalisten oder Bullen.
    Wir gingen hinein. Mrs. Felluti konnte ich gleich erkennen. Sie war diejenige Figur, die sich über den offenen Sarg geworfen hatte, über den armen Tony. Ich konnte nur seinen Kopf sehen: eine Perücke, dachte ich. Während ich Buster näher schob, griff der Duft der dutzendweise vorhandenen Blumenarrangements meine Nase an, wie es sonst nur die Kamikaze-Parfum-Verkäuferinnen bei Bloomingdales mit ihren Pröbchen tun.

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