Mord zur besten Sendezeit
den Tresen. »Ich wollte den Schlüsselanhänger«, stellte ich richtig.
Er schüttelte den Kopf. »Den kann ich Ihnen nicht geben. Es ist mein letzter, und der ist nicht verkäuflich.« Er beugte sich zu mir herüber. Ich konnte Zwiebeln in seinem Mundgeruch ausmachen. »Er schützt vor dem bösen Blick.«
Ich pellte einen weiteren Zwanzigdollarschein von meiner Rolle und legte ihn auch auf den Tresen. »Sie haben sie ja nicht mehr alle.«
Arnie nahm den Zwanziger. »Verkauft.« Er ließ den Anhänger auf den Tresen fallen. Ich griff danach und fragte ihn, wo er ihn bekommen hätte.
»Ich hab den ganzen Haufen von einem Zigeuner in Connecticut gekauft. Die sind da oben überall anzutreffen. Zigeuner, meine ich.« Er erzählte mir, Tarantelbeine wären ein Symbol des Reichtums und des Glücks. Wenn man ein solches Bein besäße, dann wende es Flüche ab, so wie ein Hasenfuß das Glück anzöge. Er zog den Vergleich nicht selbst, aber so verstand ich ihn. Er sagte außerdem, daß man, wenn man von einer Tarantel gebissen würde, nichts dagegen tun könne. Dann sei man verflucht.
»Womit?«
»Verrücktheit. Tarantelbisse sind körperlich harmlos, sie schaden nicht wesentlich mehr als der Biß einer Hausfliege. Aber ich fand, daß das eine gute Story sei und daß ich diese Dinger wie heiße Semmeln würde verticken können. Statt dessen habe ich zwei Jahre gebraucht, um ein Dutzend loszuwerden.«
»Also wird mich dieses Ding vor dem bösen Blick und vor dem Verrücktwerden beschützen. Wie konnten Ihre Kunden einem solchen Angebot nur widerstehen?«
Arnie schüttelte den Kopf. Sein buschiges schwarzes Haar ging mit dem Schütteln mit. »Nein, meine Dame. Das Bein schützt nur vor dem bösen Blick. Um den Wahnsinn abzuwehren, müssen sie die Tarantella machen.«
»Ich frage lieber nicht nach.«
»Es ist ein Tanz.« Er blickte über meine Schulter und rief in den hinteren Teil des Ladens hinein: »Hey, Vin, trag mal deinen Arsch hier rüber.« Leiser wandte er sich zu mir: »Er hat Sie belästigt, nicht wahr?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, nein.«
»Trotzdem, dem muß mal eine Lektion erteilt werden.« Der Knabe, Vin, stand mit seinem Mop hinter mir, als Arnie diesen Satz zu Ende gesprochen hatte.
»Was gibt’s, Dad?« fragte er.
»Mach mal diesen Tanz vor, den dieser verrückte Zigeuner uns in Westport vorgeführt hat.«
Der Jüngling wand sich in seiner Metallica-Jacke. »Dad«, bettelte er. Mir tat die kleine Ratte leid.
Ich sagte: »Vergiß es.«
»Los«, kommandierte Arnie.
Vin, dessen Wangen knallrot waren, lehnte seinen Wischmop gegen einen Stapel von Kohlefiltern und begann mit den Armen und Beinen zu zucken. Er hüpfte und juchzte ungefähr drei Sekunden lang. Dann griff er wieder nach seinem Mop und rannte zutiefst beschämt in den hinteren Teil des Ladens. Es war mir sehr unangenehm, das ausgelöst zu haben, aber ich war trotzdem froh darüber. Den Tanz hatte ich schon einmal gesehen.
»Der Junge muß noch viel lernen«, sagte Arnie, als er meinen angewiderten Gesichtsausdruck bemerkte.
Ich sagte: »Was gibt’s denn da noch zu lernen? Er weiß doch schon, daß Sie ein Trottel sind.« Ich ging zur Tür hinaus, wobei ich den Schlüsselanhänger um meinen Ringfinger schwang. Die Luft war kühl und naß und kalt im Vergleich zur Hitze in der Zoohandlung. Ich zog meinen Mantel fester um mich. Ich hätte ein Paar warme Arme um mich herum jetzt gut gebrauchen können.
Wenn Max gerade nicht zu Hause war und ein Footballspiel ansah, dann spielte er zu alten Platten sein Schlagzeug, oder er war im Kino, oder bei einem Freund, oder in einer Bar, oder im Fitneßstudio. Also, vielleicht kannte ich die Angewohnheiten meines
Freundes doch nicht so gut. Ich winkte einem Taxi und gab ihm Sabrinas Adresse am Sutton Place. Zwanzig Blocks lang blieb ich standhaft, und dann sagte ich dem Fahrer, er solle zu Max fahren.
Der Gedanke, Max gegenüberzustehen, und das vor allem mit meinem verbliebenen Zigarrenatem, ließ mich schon wieder eine Zigarette herbeisehnen. Ich sauste schnell in den koreanischen Delikatessenladen an der Ecke, um mir ein Fläschchen Mundwasser in Reisegröße zu besorgen. Ich nahm auf der Straße einen Schluck und spuckte nach dem Gurgeln alles in den Rinnstein. Schmeckte nach Medizin.
War aber auch erfrischend. Ich ging den halben Block zu Max’ Wohnhaus mit neuem Schwung in den Schritten und einem Lied im Herzen. Max fördert meine eher sentimentale Ader. Heute trug ich keine
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