Mord zur Geisterstunde
Büro vorbei zum Empfangstresen.
Es war halb fünf am Nachmittag. Noch herrschte hier keine fieberhafte Aktivität. Gewöhnlich brach erst zwischen elf Uhr nachts und Mitternacht hektische Geschäftigkeit aus.
Eine Sergeantin tat am Empfang Dienst. Er schaute ihr über die Schulter und überflog rasch die Einträge des Morgens.
Sein Blick wanderte über die Seite hinunter und kam plötzlich zum Halten. Lady Templeton-Jones. Da war der Name!
Die Sergeantin wandte sich zu ihm um und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Schauen Sie mir etwa in den Ausschnitt, Detective Inspector Doherty?«
»Aber nein«, beteuerte er, zog sein Mobiltelefon aus der Tasche, die Augen immer noch auf den Eintrag im Register gerichtet. »Ich schau auf etwas viel Interessanteres.«
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Doherty hatte angerufen. Er war auf dem Weg zum Hotel.
»Beeil dich. Heute Morgen hat meine Mutter gedroht, sie würde zum Kaffee kommen, aber vielleicht überrascht sie mich und taucht zum Fünf-Uhr-Tee hier auf.«
»Wie du magst. Ich bin flexibel, schnell oder langsam.«
»Diesmal will ich mich mal für schnell entscheiden.«
Der Duft frisch gebrühten Kaffees und noch warmer Scones und Croissants erfüllte Honeys Büro.
Als Doherty eintrudelte, wirkte er ziemlich entspannt. Er erzählte Honey von dem Mord. Sie berichtete ihm von der Tasche und erklärte ihm, dass sie wahrscheinlich die letzte Person war, die die Tote gesehen hatte.
Doherty ging die Sache ruhig und methodisch an. Zunächst hockte er sich auf die Kante ihres Schreibtisches und übermittelte die Personalien, die im Pass der Ermordeten standen, per Telefon an die Wache. »Sie hat sich Lady Templeton-Jones genannt, aber es scheint, als sei ihr Name auch Wanda Carpenter gewesen, Alter achtundsechzig Jahre.« Er nickte als Reaktion auf das, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde.
»Natürlich. Das überlassen wir denen.« Er legte auf. »Die setzen sich mit der Polizei in den Vereinigten Staaten in Verbindung und die benachrichtigen ihre Familie. Ich habe darum gebeten, dass man uns noch einige weitere Informationen zuschickt.« Doherty hatte seine ernste Miene aufgesetzt. Die braune Ledertasche der Verstorbenen stand mitten auf dem Schreibtisch. Steve musste den Inhalt aufnehmen, falls irgendetwas zum Vorschein kam, das für den Fall relevant sein könnte.
Doherty begann eine Inventarliste der wichtigsten Sachen aufzustellen – Pass, Geld, zerknüllte Quittungen, Werbebroschüren |70| für verschiedene Sehenswürdigkeiten – für das Haus von Jane Austen, das Römische Bad und ein Konzert in der Abteikirche. Nun kamen die letzten Gegenstände aus den Tiefen der Tasche zum Vorschein und wurden registriert.
»Haarbürste« – aufgeschrieben – »Lippenstift.« Auch das notierte er. »Eine Schachtel.« Die Schachtel war etwa 30 mal 20 Zentimeter groß und etwa 5 Zentimeter hoch.
»Kontaktlinsen«, sagte Honey, die alle drei Monate die gleiche grüne Schachtel mit der Post bekam.
Doherty stellte die Schachtel zur Seite. »Puderdose … Lippenstift. Zwei Lippenstifte? Wie viele von den Dingern braucht eine Frau denn?«
Honey klärte ihn auf. »Das hängt davon ab, was sie anhat. Meine Mutter hat zu jedem Outfit einen.«
Doherty zog eine Grimasse. »Das glaube ich gern. Ich kenne deine Mutter ja.«
»Zwei Lippenstifte, das ist in Ordnung«, sagte Honey mit lässigem Achselzucken. Zwei waren wirklich in Ordnung, obwohl die Verstorbene ihr nicht vorgekommen war wie eine Frau, die sich für die Produkte von Helena Rubinstein interessierte, nicht einmal für die Hausmarke von Woolworth. Allerdings hatte vielleicht der Regen ihren Blick getrübt. Es war wohl kaum der Abend für scharfe Beobachtungen gewesen.
Doherty legte die Tasche und seine Liste zur Seite. »Ich komme später noch darauf zurück.«
Honey ertappte ihn dabei, wie er sie von der Seite anblickte.
»Geht’s dir gut?«, fragte er.
»Prima.«
Das stimmte nicht ganz. Sie war völlig durcheinander. Das konnte man leicht daran erkennen, dass sie mit den Ringen an ihren Fingern spielte. Noch nie war sie dem Opfer irgendeiner Untat so nah gewesen – wenn man einmal von der Prügelei absah, die sich im Green River ergeben hatte, nachdem während einer Hochzeitsfeier der frischgebackene Ehemann die Mutter seiner soeben angetrauten Ehefrau als neugierige, hässliche alte Schachtel bezeichnet hatte. Es war nicht gerade ein gutes Omen |71| für die Ehe gewesen, insbesondere da die so
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