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Mord zur Geisterstunde

Mord zur Geisterstunde

Titel: Mord zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Elvis-Mobil.
    Mary Jane besaß den Wagen schon seit ihrer Schulzeit und deutete stets augenzwinkernd an, er könnte einige »heiße Geschichten« erzählen. Das stimmte zweifellos, aber inzwischen waren viele Jahre vergangen. Das Auto war älter geworden, und Mary Jane auch. Trotzdem drehten sich die Leute immer noch um, und zwar nach beiden! Voller Bewunderung für das Auto, und zutiefst erstaunt über Mary Jane.
    Die Stadt Bath hatte im Laufe der Jahrhunderte viele Verkehrsmittel kommen und gehen sehen. Bullige Ponys und Schlitten zur Zeit der Kelten, Sänften bei den Römern und im achtzehnten Jahrhundert, dann im neunzehnten Jahrhundert die aus Weide geflochtenen Rollstühle der Invaliden. Cadillacs waren eher eine Seltenheit. Leute wie Mary Jane und Mary Janes Fahrstil allerdings auch.
    Die Amerikanerin hatte sich nie daran gewöhnt, dass man in England auf der linken Straßenseite fuhr. Jede Spritztour mit ihr war ein kleines Abenteuer – vergleichbar höchstens mit Bungee-Springen an einem leicht ausgeleierten Gummiband.
    Die Leute blieben stehen und starrten. Touristen machten Fotos, und ein Mann, vielleicht ein Russe, wedelte mit einer Faust voller Banknoten hinter ihnen her.
    |189| Lindsey saß auf dem Beifahrersitz und hatte das Fenster heruntergekurbelt.
    Honey stand stocksteif am Bordstein und verzog das Gesicht. »Was macht denn die hier?«, fragte sie tonlos.
    Lindsey verzog nur resigniert das Gesicht.
    »Sie hat darauf bestanden.«
    Mary Jane beharrte nicht starrköpfig auf ihrem Standpunkt. Sie konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass andere sich an einer von ihr geplanten Unternehmung nicht beteiligen wollten.
    Honey wusste, dass jeder Widerstand zwecklos war. Sie rutschte auf den rissigen Ledersitz der Hinterbank. Sie wollte ja nicht ängstlich erscheinen. Aber sie musste etwas sagen, und wenn sie damit nur verhinderte, dass die beiden merkten, wie ihr wirklich zumute war.
    »Also«, erkundigte sie sich, »wie ist es denn gestern mit deinem Tischrücken gegangen?«
    Das hätte sie besser nicht angesprochen. Sie bemerkte es in dem Augenblick, als Mary Jane höchst animiert zu ihr nach hinten schaute, während sie sich in den laufenden Verkehr einfädelte.
    »Schlecht«, antwortete sie mit finsterer Miene. Sie verrenkte ihren mageren Hals um neunzig Grad. »Schlecht! Und wenn ich schlecht sage, dann meine ich s-c-h-l-e-c-h-t! Die Antworten ›Ja‹ und ›Nein‹ waren so durcheinander gemischt, dass ich schließlich überhaupt nicht mehr wusste, mit wem ich eigentlich gesprochen habe. Brr!« Sie schüttelte ratlos den Kopf. »So bin ich noch nie zuvor durcheinandergekommen. Die Tafel vollführte einen wahrhaftigen Stepptanz, als ich meinen spirituellen Führer gefragt habe, ob er was über diese Wanda Carpenter beziehungsweise Lady Templeton-Jones wusste. Es scheint, als hätte sie alles getan, was in ihren Kräften stand, um ihn zu übertönen. Hat sie auf dich einen ungeduldigen Eindruck gemacht?«
    »Dazu habe ich sie eigentlich nicht gut genug kennengelernt«, erwiderte Honey. Solange Mary Jane nach hinten schaute, hatte Honey die Augen schreckensweit aufgerissen. Sobald sie wieder nach vorn auf die Straße blickte, kniff Honey sie fest zu. Sie |190| wollte lieber gar nichts sehen, als Mary Janes Fahrstil mitzuerleben, der sie doch sehr an eine Fahrt im Autoskooter erinnerte.
    Mary Jane schüttelte langsam den Kopf. »Na ja, es hätte wirklich eine heiße Sache werden können. Die Frau ist ziemlich forsch. Hat sich gleich in der Warteschlange vorgedrängelt. Sir Cedric hat das überhaupt nicht gefallen! Gute Manieren sind wichtig, ganz gleich, unter welchen Umständen jemand ins Jenseits befördert wurde.«
    Im Augenblick sorgte sich Honey eher, dass sie selbst nächstens ins Jenseits befördert würde. Sie hörte Hupen und quietschende Bremsen und öffnete vorsichtig ein Auge. »Pass auf, Mary Jane, das ist ein Zebrastreifen! Bremsen, Mary Jane, bremsen!«
    »’Tschuldigung«, rief Mary Jane fröhlich, während sie sich durch eine Gruppe japanischer Touristen pflügte, die sich gerade noch durch einen beherzten Sprung zur Seite retten konnten.
    Honey schloss die Augen wieder. Bei den Fahrten in Mary Janes Cadillac setzte bei ihr stets eine Art angstbedingter Totenstarre ein. Sie hatte die Fäuste so fest geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Wenn Mary Jane mit den Armen fuchtelte, um ihre Worte zu unterstreichen, wirkte sie beinahe wie eine Italienerin. Und wie konnte bloß jemand

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