Mord
und kotzte in den Straßengraben, den Fisch und was sonst so drin war im Magen. Die Fahrradtour wurde abgebrochen, zumal Rita mitteilte, ihr sei auch schummerig. Zurück zum Betrieb, die Fahrräder abgestellt und heim, wo Reinhold den restlichen Nachmittag auf der Couch vor dem Fernseher verbrachte, die Beine hoch und eine Kamelhaardecke über dem Bauch; Elisabeth hatte ihm einen Tee gekocht.
Nie im Leben hätte er geglaubt, dass er gerade dem Tod von der Schippe gesprungen war. War er auch nicht, schlimmstenfalls hätte sich seine Magenverstimmung zu einer ordentlichen Fischvergiftung auswachsen können. Rita war jedenfalls überzeugt, dass es am Fisch gelegen hatte, ihr war nämlich auch schlecht und Elisabeth nicht, die hatte ja Lasagne gegessen. Und sie sei auch ganz sicher gewesen, erzählte sie später der Polizei, dass Elisabeth so etwas nicht tun würde, dass sie nichts in den Sekt geben würde. Okay, ja, das hatte sie doch getan, aber sie sei sicher gewesen, dass das kein richtiges Gift war. Elisabeth erfuhr erst später im Prozess das Ergebnis der laborchemischen Untersuchung des Flascheninhalts: Der Boxer hatte ihr für 3000 Mark Nasivin-Tropfen verkauft.
Reinhold war am Montag wieder kerngesund und unternehmungslustig wie immer. Elisabeth ahnte, dass mit den Tropfen etwas nicht gestimmt hatte, starkes Gift war das jedenfalls nicht gewesen. So ging es also auch nicht. Es ging gar nicht.
Als schwaches Weib war man halt schlecht dran in dieser Welt. Sie war Ende dreißig gewesen, als sie Reinhold kennenlernte, und das Kapitel Kinder war eigentlich abgeschlossen. Aber wenn Reinhold gewollt hätte, gegangen wäre es ja schon, und sie hätte auch nicht nein gesagt. Er hatte sich damals sogar erkundigt, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, wieder kirchlich zu heiraten, sie waren ja beide in erster Ehe katholisch getraut gewesen. Doch dann war das alles immer unwahrscheinlicher geworden. Erst hatte er gesagt, solange seine Scheidung nicht in trockenen Tüchern sei und er nicht wisse, was ihn das koste, könne er sich über so was keine Gedanken machen. Später hatte sie, wenn es gerade sehr gut lief zwischen ihnen, immer wieder mal gefragt, ob es nicht einfacher wäre, wenn sie verheiratet wären, sie würde sich dann auch sicherer fühlen. Da hatte er meist mit einem Scherz das Thema gewechselt.
Und jetzt war er kaum noch zu Hause, wer weiß, ob das mit seiner neuen Freundin nicht was Ernstes war. Darauf angesprochen hatte er gesagt, das habe mit ihr gar nichts zu tun, er brauche halt zwei, drei Frauen, Elisabeth sei etwas ganz anderes, sie sei seine Liebste und Beste. Aber eigentlich war sie zu Hause allein, und ihr blieb nur noch die Arbeit in dieser Klitsche, mit der schlauen Rita, die immer alles wusste, und trotzdem wurde nie was draus. Nicht mal ihren eigenen Mann war Rita losgeworden, ließ sich von dem noch blaue Augen hauen. Na okay, eigentlich war es umgekehrt, Rita hatte ihren Mann schon öfters verhauen, ihm das Gesicht zerkratzt und das Hemd zerrissen.
Dann saß Elisabeth wieder im Büro mit Rita zusammen. Musterung des Erfahrungsschatzes im Hinblick auf lehrreiche Erlebnisse. Ihr Mann, sagte Rita, sei mal mit dem Gewehr auf sie los, nein, mit einer Pistole. Der bekam dann die Waffen abgenommen und ein Strafverfahren aufgebrummt wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Sie selbst habe auch eine kleine Pistole, die zeigte sie aber Elisabeth nicht, sagte auch nicht, wo sie die herhatte. Rita fiel dann ein, dass ihre Schwiegermutter vor Jahren, als sie noch nicht verheiratet gewesen war, einen Arbeiter angeheuert hatte, der den Schwiegervater erschlagen oder erschossen hatte, ganz genau wisse sie es nicht. Das sei dann als Selbstmord getarnt worden. Elisabeth sagte, dass sie es einfach nicht mehr aushielte, aber sie wolle auch nicht weglaufen. Zuletzt habe Tanner gesagt, er müsse über sich hinauswachsen, um mit ihr zu schlafen. Wenn sie in der Beziehung kaputtgehe, dann könne auch der Tanner kaputtgehen, meinte sie und schnäuzte sich die Nase wegen der Tränen.
Schließlich sagte Rita, sie kenne da einen, mit dem wolle sie mal telefonieren, das sei der Kemper, Peter Kemper, der komme mal vorbei. Und der andere wäre Jerry Sommer, auf die beiden könne man sich hundertprozentig verlassen, sagte Rita. Den Jerry kannte Elisabeth schon. Der kam kurz darauf in den Betrieb, Rita brachte ihn ins Büro, dann ging sie raus, damit Elisabeth in Ruhe mit ihm sprechen konnte. Aber sie sprach
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