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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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indem man sie einschmolz. Das bedeutete, dass er die Tat zu Hause durchführen musste, damit ihn niemand auf dem Weg vom Tatort zur Werkstatt zufällig sah. Das wiederum hatte zwingend zur Folge, dass er ein Tatmotiv unübersehbar machen musste, das ihn selbst als Täter ausschloss. Es musste zweifelsfrei ein perverser Sexualmord sein; den beging nicht der brave Ehemann. Deswegen habe er die Leiche so hergerichtet, das habe ihm wirklich keinen Spaß gemacht. Wie auch immer: Am Anfang war der Entschluss und dann der Plan. Zwischendurch ging es nur langsam weiter, weil er die Sache vor sich herschob. Doch er besorgte nach und nach die anderen Dinge, und zum Schluss war es so, dass er fast meinte, er habe so etwas wie eine Pflicht dazu.
    Sein Motiv sei wohl Egoismus gewesen. Seine Frau war nicht die sexuell vollwertige Partnerin, die er sich gewünscht hatte. Er hätte sich ja auch scheiden lassen können, aber das wäre für seine Frau schlimm gewesen. Sie wäre sicher nicht zurechtgekommen. Am schlimmsten aber war es für das Kind, das hatte unter seiner Mutter noch mehr gelitten als er. Ihm sei klar gewesen, dass Torsten seine Mutter vermissen würde, aber er war erst drei, und irgendwann hätte er eine Ersatzmutter bekommen. Ja, damals habe er auch mit dem Gedanken gespielt, dass es mit Gerda noch etwas werden könne, sie ihm als Witwer und alleinstehendem Vater helfen würde.
    Klar war, dass er nicht als Täter in Frage kommen durfte. Deswegen all die Vorbereitungen. Für die Fotos verwendete er die eigene Kamera, mit ein paar Pappstreifen änderte er das Format der Bilder; so musste er die Kamera gar nicht verschwinden lassen, nur ein paar Vorsatzlinsen, die er dafür benötigt hatte. Was man in der Schmelzmasse gefunden hatte, waren Teile dieser Linsen gewesen. Das Schweißgerät hatte er zwei Monate zuvor gekauft, um die Waffe einzuschmelzen. Die war ein selbstgefertigter Schussapparat, ein Aluminiumrohr mit Schaumstoff drum herum. Er habe durch den Schaumstoff geschossen, in unmittelbarer Nähe des Kopfes. In seinem Bastelraum konnte er alles aufbewahren, ohne dass es jemand gesehen hätte, seine Frau schaute da nie hinein. Eigenartig eigentlich.
    «Mein ganzes Leben», sagte Gerwin Moss, «war geprägt von der Suche nach einer Partnerin. Ich habe damals den Fehler gemacht, mich zu früh und an eine falsche Frau zu binden. Das ist mir heute bewusst.»
     
    Exakt 18  Jahre nach seiner Festnahme wurde Gerwin Moss vom Oberlandesgericht in Freiheit entlassen. Er hatte Glück, dass es damals noch nicht den Profiler mit dem knarzenden Wiener Dialekt gab, der bei jeder weiblichen Leiche mit gespreizten Beinen einen perversen Lustmörder diagnostiziert; mit dieser Vorgabe hätte man ihm eine Sexualtherapie in Haft verordnet und ihn auch danach nicht entlassen. Gerwin Moss hingegen musste nach seinem offiziellen Geständnis trotz guter Prognose noch drei Jahre bleiben – allein wegen der Schwere der Schuld – und entging der Ausweisung nach Britannien.
    Zu unserem letzten Gespräch erschien er als Freigänger. Er hatte inzwischen geheiratet, wurde begleitet von einer ernsthaften, klugen, gläubigen Frau, mit der er lange Wanderungen unternahm und stimmungsvolle Landschaftsbilder fotografierte; er zeigte mir einige Abzüge. Er war schon länger fromm geworden, hatte ganze Bibelpassagen auswendig gelernt. All das, so schien es, hatte den Hunger gestillt. Er schickte mir noch einen Brief, in dem er einen der Sprüche Salomos zitierte: «Haus und Hof vererben die Eltern, eine vernünftige Frau kommt vom Herrn.»
    Später fand ich Spuren Gerwins im Internet. Gemeinsam mit seiner Frau, so wurde angekündigt, hielt er in seiner Gemeinde einen Lichtbildvortrag. Er ist ein Fotokünstler geworden.

Blutsbrüder
    Erstens: den Gegner zu Boden schlagen. Zweitens: Wer am Boden liegt, wird zusammengetreten. Das ist nicht neu, das war schon früher so. Es geht hier nicht um Boxsport. Es geht darum, den anderen fertigzumachen, dass der keine Kraft mehr hat, wieder aufzustehen. In alten Western, schwarzweiß, kann man das sehen. Manche glauben, für das Zutreten wurden die Stiefel erfunden. Es geht nicht um ein männliches Kräftemessen, es geht um Herrschaft, zumindest Respekt. Diese Straße, diesen Ort beherrschen wir. Wenn es uns gefällt, können wir jederzeit wieder zuschlagen, wir sind eine Macht. Davongehen, ohne sich umdrehen zu müssen, weil man weiß, dass niemand sich trauen wird, einen anzugreifen. Im Wilden Westen, in

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