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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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mehrfachen gemeinschaftlich begangenen Mordes in Tateinheit mit Rowdytum sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine beiden Brüder und der jugendliche Angeklagte Willy Meier wurden jeweils zu Freiheitsstrafen von 15  Jahren verurteilt. Es wurde die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung angeordnet, durch Bekanntgabe der Urteilsformel in der nächsten Ratssitzung der Stadt Lassan, Kreis Wolgast.
     
    Franz Bardelow wurde also nicht geköpft oder erschossen, sondern kam in den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe und wurde vergessen. Es hat nicht viel gefehlt, und sein Leben hätte sich im märkischen Sand verlaufen.
    Am westlichen Stadtrand von Brandenburg an der Havel, in Görden, liegt eine große psychiatrische Anstalt und gleich daneben, auch an der Anton-Saefkow-Allee, ein ruhmreiches Zuchthaus, 1927 als sicherste und modernste Anstalt Europas für 1800  Insassen errichtet. Honecker war hier acht Jahre inhaftiert und der Berliner Kommunist Anton Saefkow 1944 hingerichtet worden. Nach der Wende erhielt es bald eine neue Außensicherung; der frisch entrollte rostfreie Stacheldraht auf den Zäunen glänzte wie Silberschmuck.
    Der Kontakt zur Familie war schnell abgerissen, von Lassan nach Brandenburg war es weit, zu DDR -Zeiten endlos weit. Franz erhielt die ersten acht Jahre die «besonders schwere Maßnahme». Zwei Jahre kam er auf Absonderung, das hieß 23  Stunden in einer ganz kleinen Zelle, täglich nur eine Freistunde, die meiste Zeit allein. Acht Jahre lang bekam er besondere Sicherung, keiner erklärte, warum. Dann wurde er zur Arbeit zugelassen, aber mit Einschränkungen: keine Pakete empfangen, keine Prämien erhalten, weiter Einzelunterbringung. Aber er war glücklich und zufrieden damit – wenn man mal auf einer großen Bude gelegen hat, weiß man Einzelzelle zu schätzen. Er hatte stumme Gesellschaft, besaß eine Zeitlang ein Aquarium. Er ließ sich Fischfutter schicken von der Familie, das haben die an der Pforte gleich gedreht, also zurückgeschickt: unerlaubter Paketinhalt. Da hat er das Aquarium lieber verkauft, damit die ihn nicht schikanieren konnten.
    Nach sechs Jahren schrieb die Mutter einen Brief an die Anstalt: «Ich möchte gern wissen, ob es stimmt, dass mein Sohn Franz Bardelow tot ist. Wenn das stimmt, warum wurde ich nicht benachrichtigt?» Die Anstalt antwortete, dass ihr Sohn lebe und in guter Verfassung sei. Franz wurde gefragt, ob er nicht Kontakt aufnehmen wolle. Aber wieso sollte er ihr schreiben oder einen Besucherschein beantragen? Das hatte ja keinen Sinn – er hatte LL , lebenslänglich. Wäre er ausgewandert, nach Australien, wäre es ja auch nicht gegangen. Später kam die Mutter doch zweimal zu Besuch, den weiten Weg. Seit dem Tod des Vaters lebte sie allein, hatte sich nicht noch mal einen Mann genommen.
    Aber lange Haftjahre war er ohne Besuch. Die ersten zehn Jahre trank er viel und verdiente gut mit dem Ansetzen von Alkohol. Innerhalb der Mauern des Zuchthauses gab es mehrere große Arbeitsbetriebe, darunter das Getriebewerk der IFA . Auch und gerade bei der Arbeit wurde viel getrunken; er schaffte da als Dreher und bekam auch dreimal Prämien. Angetrunken wurden Bauteile für alle Arten von LKW s hergestellt. Bis er sich irgendwann entschloss, aufzuhören mit dem Trinken und nach der Wende auch mit der Arbeit, für das bisschen Westgeld arbeitete er nicht. Mit dem Rauchen hatte er auch aufgehört, da ist man schon raus aus der Geldnot.
    Zu DDR -Zeiten ging es im Knast nur um Arbeit, Arbeit und Arbeit, Normerfüllung, alles andere war nicht von Bedeutung. Die Bezahlung war nicht schlecht. Wenn die Normen erfüllt wurden, ließen die Beamten die Gefangenen in Ruhe. Die Gerissensten unter ihnen hatten ein Leibgarde von Brutalen, organisierten die Produktion und waren die Herren im Knast. Es gab eine Rangordnung der Beamten, und es gab eine bei den Gefangenen, aber beide Seiten blieben für sich. Die Chefs der einen Seite verhandelten mit den Chefs der anderen Seite. Die Anstalt hatte zusätzlich noch ihre Spitzel unter den Gefangenen, um zu wissen, was läuft.
    Natürlich gab es in der Haft Schlägereien. Fast alles wurde untereinander ausgemacht, die Beamten mischten sich nur im äußersten Notfall ein. Wenn man sich nicht wehrte, hatte man keine Chance, dann war man «eine Fotze». Das durfte man auf keinen Fall sein. Franz hatte einen Blick für Machtverhältnisse, und er konnte andere erstaunlich gut

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