Mordgier
gewalttätig.«
Ihm war unbehaglich bei dem Gedanken, dass er an einen Mörder vermietet haben könnte.
»Dies sind ganz grundsätzliche Fragen, Sir«, sagte Milo.
»Das hoffe ich. Er hat mir wirklich überhaupt keine Schwierigkeiten gemacht.«
*
Die Postfachagentur lag in einer mit Abfall übersäten Ladenzeile an der Vermont Avenue unmittelbar oberhalb des Sunset, einer dieser metallisch riechenden Minitresore, die mit Messingkassetten ausgekleidet sind, zu denen die Mieter zwei Schlüssel und rund um die Uhr Zugang erhalten.
Auf einem Schild im Fenster stand: Im Fall von Schwierigkeiten mit der chemischen Reinigung Avakian Kontakt aufnehmen.
In der Reinigung pflückte ein Mann einen Haufen zerknitterter Hemden auseinander und sagte: »Ja?«, ohne hochzuschauen. Ein William-Saroyan-Schnurrbart, schnelle Hände.
»Polizei. Wir suchen nach einem Ihrer Postfachmieter. Anthony Mancusi.«
Zeit hochzuschauen. »Tony? Er bringt den größten Teil seiner Wäsche hierher. Bei dem Preis von Wasser und Seife können wir es genauso billig machen, und man braucht keine eigene Maschine. Was ist los mit Tony?«
»Seine Mutter ist gestorben, Mr. …?«
»Bedros Avakian.« Zungenschnalzen. »Gestorben, wie? Schlimm. Wieso ist dann die Polizei hier?«
»Es war kein natürlicher Tod.«
»Oh … das ist wirklich schlimm.«
»Könnten wie bitte die Adresse haben?«
»Ja, klar, einen Moment, ich hole sie Ihnen.«
Avakian ging zu einem kleinen Schreibtisch und tippte in einen Laptop. »Haben Sie einen Stift? Richten Sie Tony mein Beileid aus.«
*
Anthony Mancusi juniors neue Bleibe befand sich in einem schmuddeligen dreistöckigen Kasten am Rodney Drive, nicht weit von der Ladenzeile entfernt. Keine Gartenanlage, kein Charme, Anfragen sollten an eine Immobilienfirma in Downey gerichtet werden.
Die Haustür war verschlossen. Die Tafel am Eingang führte achtzehn Mieter auf, jeden mit einem Briefschlitz. Niemand reagierte auf das Klingeln bei A. Mancusi .
»Ein kleiner Abstieg von seiner letzten Wohnung«, sagte ich. »Das spricht genauso für finanzielle Probleme wie der Umstand, dass seine Mutter mehr Mietzahlungen für ihn übernommen hat.«
Milo klingelte erneut, zog eine Visitenkarte hervor und ließ sie in Mancusis Briefschlitz fallen. »Fahren wir zum Parkplatz der Autovermietung.«
Als wir zum Wagen gingen, erregte eine Bewegung ein Stück die Straße hoch meine Aufmerksamkeit. Ein Mann in einem kurzärmeligen weißen Hemd und brauner Hose trottete auf uns zu.
Weniger Haare als vor zwei Jahren, die blonde Farbe war chemischer Herkunft, und er hatte an allen vorhersagbaren Stellen zugenommen. Aber das hier war der Mann, der nicht überglücklich gewesen war, mit seiner Mutter fotografiert zu werden.
Milo wies mich an zu warten und ging ihm entgegen. Das Blitzen der goldenen Marke ließ Tony Mancusis Kopf zurückfahren, als wäre er geohrfeigt worden.
Milo sagte etwas.
Mancusi schlug sich mit beiden Händen seitlich gegen den Kopf.
Sein Mund öffnete sich, und das Wimmern, das herauskam, ließ vor meinem inneren Auge ein Bild entstehen: angekettete Tiere in einem Schlachthof.
Das Ende der Hoffnung.
6
Tony Mancusis Hände zitterten, als er darum kämpfte, seinen Schlüssel in das Schloss zu manövrieren. Als er ihn zum zweiten Mal fallen ließ, übernahm ich. Sobald wir in dem schmutzigen kleinen Zimmer waren, das er sein Zuhause nannte, stützte er sich an einer Wand ab und begann zu jammern.
Milo beobachtete ihn so leidenschaftslos wie ein Gartenzwerg.
Manche Detectives geben eine Menge darauf, wie Leute anfangs auf schlechte Nachrichten reagieren, wobei sie den zu stoischen Verwandten genauso verdächtigen wie den nervösen Hysteriker.
Ich halte mich mit meinem Urteil zurück, weil ich Opfer von Vergewaltigungen gesehen habe, die bis zur Schnoddrigkeit blasiert waren, unbeteiligte Zuschauer, die auf eine Weise zuckten, dass Schuldbewusstsein die einzig mögliche Erklärung war, und Psychopathen, die Schock und Trauer so überzeugend darboten, dass man sie in den Arm nehmen und mit Suppe füttern wollte.
Aber es war schwer, von dem Beben der rundlichen Schultern Mancusis und dem fürchterlichen Schluchzen, das ihn beinahe von einer fadenscheinigen Ottomane rutschen ließ, nicht beeindruckt zu sein. Die Wand hinter ihm war mit einem Murphy-Bett ausgestattet.
Ella Mancusi hatte ihren Geburtstagskuchen selber gebacken. Vielleicht erinnerte sich ihr Sohn daran.
Als er eine Pause zum Luftholen
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