Mordgier

ihn.«
    »Weil er feminin ist und so.«
    »Das und weil er einfach komisch ist - wie vor dem Dessert aufzustehen und einfach so zu gehen. Sein Vater war auch eigenbrötlerisch, aber Tony senior ging wenigstens zu Familientreffen und gab sich gesellig. Obwohl er, offen gestanden, meistens draußen saß und rauchte - er war ein starker Raucher, das war auch für seinen Herzinfarkt verantwortlich. Er hat für eine Milchfirma gearbeitet, die die Filmstudios beliefert hat, und Tony hat Tony junior eine Stelle bei einem von ihnen verschafft. Bei Paramount, glaube ich. Im Grunde eine Art Hausmeisterjob, Sachen herumtragen, aber diese Leute zahlen gut, und die Gewerkschaft übt ziemlich viel Druck aus. Tony junior hätte sich finanziell keine Sorgen zu machen brauchen, aber er behauptete, er hätte sich am Rücken verletzt, und hat gekündigt, und seitdem tut er nichts mehr.«
    »Behauptete?«
    »Ich bin sicher, dass er Schmerzen hat. Die haben wir alle.«
    »Reden wir über seinen Drogenmissbrauch.«
    »Ich weiß nur, was die Jungs gesagt haben.«
    »Ihre Jungs?«
    »Meine und die von meinem Bruder Len. Nicht dass Tony ein großes Gesprächsthema wäre, es kam einfach zur Sprache. Wir reden über alles in unserer Familie.«
    »Was hat Tony denn seinen Cousins zufolge genommen?«
    »Es ging nie um Details. Eher dass Tony die ganze Zeit stoned gewesen wäre und deshalb die Schule geschmissen hätte. Was für Ella schwer gewesen sein muss. Sie legte großen Wert auf Erziehung.«
    »Hat sie je erwähnt, dass sie enttäuscht war?«
    »Ella hat nicht über ihre Gefühle gesprochen. Aber jeder hat gespürt, dass Tony eine große Enttäuschung für sie war. Außerdem glaube ich, dass er spielt. Tatsächlich weiß ich, dass er spielt. Mein Sohn Arnold hat ihn in einem der indianischen Casinos in der Nähe von Palm Springs gesehen. Arnold und seine Familie machten Ferien, und er und Rita - seine Frau - spielten an den Automaten, nur so zum Spaß, sie sind keine Spieler. Als sie die Kinder in der Tagesstätte des Casinos abholen wollten, entdeckte Arnold Tony am Blackjack-Tisch. Arnold wollte hallo sagen, obwohl er und Tony nicht viel miteinander zu tun hatten, nur um freundlich zu sein. Aber dann verlor Tony bei einer Runde sein ganzes Geld und stampfte fluchend vom Tisch weg. Arnold nahm an, das wäre nicht der richtige Zeitpunkt für eine Begrüßung.«
    »Haben Sie weitere Beispiele für Tonys Spielleidenschaft?«
    »Nein, aber Arnold sagte, nach der Art, wie Tony da saß - ganz vornübergebeugt, die Karten gut verdeckt -, hätte es so ausgesehen, als machte er das öfter.«
    »Drogen und Glücksspiel«, sagte Milo. »Sonst noch was?«
    »Und schwul«, erinnerte ihn Hochswelder. »Aber ich will ihn nicht beschuldigen, nur die Informationen weitergeben. Ich möchte nicht, dass Sie annehmen, ich hätte etwas gegen Tony. Habe ich nicht, er tut mir leid. Offen gestanden kann es nicht einfach gewesen sein, mit Tony senior zusammenzuleben. Der war cholerisch, das heiße italienische Blut. Aber nach dem, was Ella widerfahren ist … dachte ich einfach, ich sollte mit Ihnen reden.«
    »Mr. Hochswelder«, sagte Milo, »wenn wir einmal annähmen, ganz theoretisch, Tony hätte etwas mit dem Mord an seiner Mutter zu tun, was wäre dann Ihrer Ansicht nach sein Motiv?«
    »Oh nein, Lieutenant, so weit würde ich nicht gehen.«
    »Theoretisch«, sagte Milo. »Ganz unter uns, jetzt im Moment und ohne irgendwas schriftlich festzuhalten.«
    Hochswelder nagte an seiner Oberlippe. »Da ich Ella kenne, vermute ich, dass sie alles Tony hinterlassen hat. Nichts spricht dagegen, er war ihr einziges Kind. Obwohl man meiner Ansicht nach das Geld genauso gut im Klo runterspülen kann, wenn man es jemandem gibt, der nicht arbeitet.«
    »Sie nehmen Tony die Verletzung nicht ab.«
    »Wer weiß?«, sagte Hochswelder. »Das ist eine Sache zwischen ihm und Gott.«
    »Wie würden Sie Tonys Verhältnis zu seiner Mutter beschreiben?«
    »Wie ich schon sagte, Ella hat nicht über ihr Privatleben gesprochen.«
    »Haben Sie jemals irgendwelche Feindseligkeiten zwischen ihnen bemerkt?«
    »Nein, das kann ich nicht sagen. Außer bei dieser Gelegenheit an Thanksgiving.«
    »War Ella böse auf ihn?«
    »Sie machten beide einen angespannten Eindruck, als sie ankamen. Ella hatte ein starres Lächeln aufgesetzt, als ob sie vorgäbe, glücklich zu sein.«
    »Was war mit Tony?«
    »Der war in seiner eigenen Welt versunken.«
    »Haben Sie eine Ahnung, weshalb sie angespannt