Mordgier
Doppelmord«, sagte ich. »Sie befürchten, er war nicht gerade in Bestform.«
Cardenas lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich will nicht schlecht von den Toten sprechen, jeder sagt, der Sheriff sei ein prima Kerl gewesen. Aber Ojo Negro ist seit der Verlegung des Highways mehr oder weniger ein Ölgemälde. Ich habe nichts dagegen, aber es ist nicht jedermanns Sache.«
»Sie mögen die Ruhe.«
»Manchmal kriege ich einen leichten Rappel und rufe meine Schwester an, bitte sie darum, eine Zeitlang vorbeizukommen - wir sind Zwillinge, sie ist Krankenschwester am Cottage Hospital in Santa Barbara, bekommt viel Urlaub. Aber ich arbeite die meiste Zeit, deshalb ist die Ruhe perfekt.«
»Arbeiten Sie an Fällen?«
Er blickte auf seinen Computer. »Das klingt bestimmt blöd, aber ich schreibe. Oder versuche es zumindest.«
»Belletristik?«
Er wandte das Gesicht ab und sprach zu einem Fahndungsplakat. »Ich habe mit Kurzgeschichten angefangen und dann in einer Literaturzeitschrift gelesen, dass es dafür keinen Markt gibt, deshalb versuche ich es jetzt mit einem Roman. Ich hab noch nicht damit angefangen, versuche immer noch das zu finden, was man als Erzählperspektive bezeichnet.«
»Ein Roman über die Polizeiarbeit?«
»Hängt davon ab, was herauskommt, sobald die Geschichte in meinem Kopf feststeht«, sagte er. »Ich hatte zwei Hauptfächer an der University of New Mexico, Englisch und Strafrecht und konnte mir nicht darüber klar werden, was mir besser gefiel. Also beschloss ich, ein bisschen Polizeierfahrung zu sammeln, vielleicht hätte ich ja etwas in einem Buch zu sagen. Bin zwei Jahre bei der Staatspolizei gewesen, dann kam Ojo Negro ins Spiel, sie hatten seit fünf Jahren keinen Sheriff mehr und bekamen einen staatlichen Zuschuss, um einen zu finanzieren. Meine Schwester und ihre Kinder sind nicht sehr weit weg, und sie ist geschieden, und ihr Exmann spielt keine Rolle mehr. Ich dachte mir, ich könnte vielleicht einen guten Einfluss ausüben.« Achselzucken. »Schien mir eine gute Gelegenheit zu sein.«
»Ich hab mal mit zwei Detectives im Santa Fe Police Department gesprochen. Steve Katz und Darrell Two Moons.«
»Die kenne ich vom Sehen, aber ich habe nie mit ihnen gearbeitet. Die meiste Zeit war ich in Albuquerque und mit Bandenkriminalität beschäftigt. Dabei bin ich am Rande mit zwei Mordfällen befasst gewesen, hab die Profis bei der Arbeit beobachtet und festgestellt, dass das nicht mein Fall ist. Leider werde ich Ihnen bei dem hier nicht viel helfen können. Dieses eine Blatt ist alles, was ich gefunden habe.«
»Gibt es jemanden, mit dem ich reden könnte, der vor neun Jahren hier war?«
»So ungefähr jeder, der noch in Ojo Negro lebt, war vor neun Jahren hier. Die meisten meiner Leute hier sind Senioren, die entweder nicht wegziehen wollen oder es sich nicht leisten können. Der Lebensmittelladen kocht frische Suppe, wenn die Nachfrage groß genug ist, und der große Tag ist, wenn die Sozialhilfeschecks reinkommen.«
»Können Sie mir jemanden empfehlen, mit dem ich anfangen sollte?«
Er stellte die Beine nebeneinander. »Glaubt Lieutenant Sturgis wirklich, dass das hier mit einem Fall in L.A. zu tun haben könnte?«
»Schwer zu sagen. Die wichtigste Verbindung ist ein gestohlenes schwarzes Auto.«
»Ein Mercedes und ein Bentley, ja, das hat er mir gesagt. Die ursprüngliche Akte über den Autodiebstahl des Lincolns wurde in Santa Barbara angelegt, weil der Wagen dort geklaut wurde. Ich habe es überprüft, und die Akte ist im Archiv. Alles, was ich finden konnte, ist ein einfacher Bericht, dass der Wagen sichergestellt wurde. Bis sich herausgestellt hatte, dass dieser herumlungernde Clint-Eastwood-Typ mit dem Diebstahl zu tun hatte, war der Wagen gereinigt und erneut vermietet, hatte bereits wieder mehr als hundert Meilen zurückgelegt. Kein hinreichender Grund, ihn zu untersuchen, also war’s das. Was die Frage nach Leuten betrifft, die sich vielleicht daran erinnern, so habe ich mich umgehört, und klar, jeder, dessen Gedächtnis noch funktioniert, erinnert sich an den Fall. Das war der erste Mord seit vierzig Jahren. Aber niemand hat irgendwelche Details über diesen Typen präsent, außer dass er ein großer Weißer mit langem Mantel und Cowboyhut war. Und ich kann niemanden finden, der ihn tatsächlich gesehen hat.«
»Ein geheimnisvoller Fremder.«
»Wir haben nicht allzu viele Besucher, und ich bezweifle, dass es vor neun Jahren anders war, weil
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