Mordgier
Jedenfalls isst Korvutz früh, ist vermutlich schon um sechs, halb sieben dort. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Sie zu einem Teller Pasta einlädt, ist nicht sehr groß, aber wenn Sie nach L.A. zurückfliegen, können Sie sagen, Sie hätten es versucht.«
»Hat er Bodyguards?«
»Er ist kein Trump oder Macklowe. Der Bursche ist ein kleiner Fisch. Relativ, meine ich. Er kann es sich immer noch leisten, in einer Eigentumswohnung mit zehn Zimmern in einem Haus von vor dem Krieg an der Park Avenue zu wohnen. Hat sich vor Jahren dort eingekauft.«
»Was baut er denn heutzutage?«
»Nichts mehr. Er kassiert Miete.«
»Er hat sich zur Ruhe gesetzt? Wie das?«
»Vielleicht, weil er es wollte, vielleicht, weil ihm nichts anderes übrigblieb.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wenn Sie heute in der Stadt mitspielen wollen, müssen Sie das ganz große Geld haben. Mit neun Nullen, nicht mit sechs.«
»Verstehe«, sagte ich. »Wie sieht er aus?«
»Tut mir leid, kein Bild«, antwortete er. »Der Mann fährt nicht. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass er vor acht Jahren dreiundfünfzig war. Ein kleiner Mann, Brille, rötlich braune Haare. Ein typischer russischer Woody Allen.«
»Vielen Dank. Ich bin an dem Haus in der West Thirty-fifth vorbeigegangen. Inzwischen ist es wieder eine Fabrik.«
»Genau genommen ist es ein Lagerhaus, Doc. Die Borte wird in Queens produziert und in der Thirty-fifth gelagert. Wie kommt es also, dass Korvutz nach all diesem Gedöns nie seine Eigentumswohnungen gebaut hat? Ich habe gehört, dass er irgendwie in eine finanzielle Klemme geraten ist, sich über Börsengeschäfte flüssiggemacht hat, dann fielen die Aktien, und er musste einen Haufen Häuser mit Verlust verkaufen, einschließlich dieser Immobilie. Es geht immer ums richtige Timing, Doc. Jetzt spielt der Markt wieder verrückt, beschissene Mietshäuser in der Lower East Side werden renoviert, Hell’s Kitchen ist voller Yuppies und hat einen neuen Namen bekommen: Clinton.«
»Und der Boom hat die West Thirty-fifth noch nicht erreicht?«
»Diese Häuser sind’ne Menge wert«, sagte er. »Im Moment lohnt es sich noch, sie gewerblich zu vermieten, aber warten Sie’s ab. Irgendwann sind die einzigen Menschen, die auf dieser Insel wohnen, die Limousinenleute.«
Ich hielt das Blatt mit dem Mieterbeirat hoch. »Halten Sie es für problematisch, wenn ich mit Glusevitch und Mercurio Kontakt aufnehme?«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte Polito, »aber Sie werden mit beiden Probleme haben. Mercurio ist tot, hat vor fünf Jahren Ärger wegen einer Frau bekommen, ist von deren Exmann erschlagen worden, der die Leiche in der Bronx abgeladen hat. Hatte nichts mit Korvutz zu tun, der Exmann hatte schon vorher Freunde seiner Frau zusammengeschlagen, und rausgefunden hab ich es nur, weil mir Linos Name auf einer Liste von Opfern ins Auge fiel. Der Junge war ein Idiot und ein Klugscheißer, einer von diesen Typen, die sich Gel ins Haar schmieren und einen auf Gangster machen. Ich kann mir vorstellen, dass er jemandem echt auf den Sack geht. Der hätte mir als Verdächtiger gut gefallen, ich sah ihn direkt vor mir, wie er sich einbildet, er könnte mit einem Auftragsmord Karriere machen. Das Problem ist, er hatte ein bombensicheres Alibi. In der Woche, in der die Safrans verschwunden sind, hat er mit einer Freundin in Aruba Urlaub gemacht.«
»Praktisch.«
»Aber korrekt, Doc. Ich habe die Unterlagen des Hotels und der Fluglinie überprüft. Lino war eindeutig dort. Vielleicht hat er den Ausflug mit dem Geld bezahlt, das Korvutz ihm für die Tätigkeit im Beirat gegeben hat.«
»Hat Korvutz die Mitglieder bestochen, damit sie als solche auftraten?«
»Das kann ich nicht beweisen, aber warum sollten sie sich sonst die Mühe machen?«
»Und mein zweites Problem besteht darin, dass Sonia Glusevitch mit Korvutz verwandt ist und mir deshalb nicht helfen wird.« Er hielt mir seine Handflächen entgegen.
»Haben Sie eine Ahnung, wo sie wohnt?«, fragte ich. »Für alle Fälle.«
»Mal sehen, ob wir es rauskriegen.« Er nahm sein Handy zur Hand, wählte die Nummer der Auskunft, fragte nach Einträgen für Sonia Glusevitch, bekam keinen, probierte es mit »Anfangsbuchstabe S«.
Eine Hand signalisierte das siegreiche V. »Drei fünfundvierzig East Ninety-third. Wenn Sie es mit Sonia zuerst versuchen wollen, bitte sehr, aber das wäre meiner Ansicht nach ein Fehler. Ich halte es für besser, das Überraschungselement bei Korvutz auszunutzen und nicht zu
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