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Mordgier

Mordgier

Titel: Mordgier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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lange Liste auf neun Inszenierungen in Downtown zusammengestrichen, die mir hinreichend obskur vorkamen. Nach einer Wartezeit von fünfzehn Minuten saß ich an einem Computer mit Internetverbindung. Fünf der Stücke wurden nicht erwähnt. Ich fand Besetzungslisten für drei der verbliebenen vier. Ansell/Dale Bright erschien auf keiner von ihnen, aber ich druckte sie aus und verließ die Bibliothek.
    Der Himmel war blauschwarz. Die Fifth Avenue blitzte kupfer- und bronzefarben und silbern in der widergespiegelten Herrlichkeit der Schaufenster. Der Straßenverkehr war ein Hummelschwarm gelber Taxis und schwarzer Mietlimousinen. Die Menge der Fußgänger hatte sich zu etwas Zweckmäßigem und Polymorphem verdichtet, und ich kam mir wie ein winziges Rädchen in einer wundervollen Maschine vor.
    Zur Abwechslung nahm ich die Madison nach Norden, wobei ich flüchtige Blicke von Mondschein erhaschte, der Wolkenkratzertürme einfasste. Stadtentwicklung konnte Raubbau betreiben, aber das von Menschenhand geschaffene New York war vielleicht schöner als alles, was die Natur hervorzaubern konnte.
    Als ich von den Sixties in die Seventies wechselte, machten die Vorzeigeläden der großen Modeschöpfer kleineren Boutiquen und gemütlichen Esslokalen Platz, hinter deren Schaufenstern schöne Menschen präsentiert wurden.
    Die Osteria La Bella sah anders aus, hatte eine weiß gestrichene Ziegelsteinfassade und winzige beigefarbene Buchstaben, die den Namen des Restaurants über einer derart mit Goldschnörkeln verzierten Glastür flüsterten, dass sie genauso gut aus undurchsichtigem Material hätte bestehen können.
    Hinter dem Glas herrschte Dunkelheit. Eines dieser Lokale, über das man Bescheid wissen musste.
    Ich blickte die Straße hoch und konnte niemanden sehen, der Roland Korvutz’ Beschreibung entsprach. Achtzehn Uhr zwanzig. Falls er bereits drinnen war, wollte ich, dass er es sich kulinarisch gemütlich gemacht hatte. Also setzte ich meinen Spaziergang fort, ging weiter nach Norden bis zur East Ninetieth und wurde zwischendurch schneller, um aerobischen Nutzen aus der sanften Steigung von Carnegie Hill zu ziehen. Um zehn nach sieben war ich wieder vor dem La Bella, mit einer frischen Lunge und einem summenden Nervensystem.
    Die Glastür öffnete sich zu einem glänzenden dunkelgrünen Vestibül, das in der gegenüberliegenden Wand eine zweite Tür aus solidem schwarzem Walnussholz aufwies. Auf der anderen Seite des inneren Eingangs wurde ein kleiner Treppenabsatz durch ein graviertes Bronzeschild Vorsicht, Stufe! angekündigt.
    Drei Treppenstufen und eine scharfe Linkskurve brachten mich zu einem Stehpult aus weißem Marmor. Ein hochgewachsener, dicker Mann im Smoking studierte sein Buch mit den Reservierungen im bernsteinfarbenen Licht einer Muschelschalen-Lampe von Tiffany. Leise Opernmusik lieferte den Soundtrack, irgendein Tenor, der eine traurige Geschichte stöhnte. Meine Nasenlöcher füllten sich mit alternierenden Fetzen von reifem Käse, gebratenem Fleisch, Knoblauch und Balsamessig.
    Hinter dem Mann im Smoking erstreckte sich ein Weinregal bis zur handverputzten Decke, das die gesamte linke Seite des Raums verbarg. Die Wand auf der rechten Seite war von einem Fresko bedeckt. Fröhliche Bauern bei der Weinlese. Die drei Tische, die man sehen konnte, waren rund, von roter Tischwäsche bedeckt und nicht besetzt. Gläserklingen und das leise Murmeln von Gesprächen kamen hinter dem Regal hervor.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
    »Ich habe nicht reserviert, aber falls Sie noch Platz für einen zum Dinner hätten?«
    »Einen«, sagte er, als hätte er das Wort zuvor noch nie gehört.
    »Ich dachte mir, ich entscheide mich spontan.«
    »Wir mögen spontan, Sir.« Er führte mich zu einem der leeren Tische, reichte mir die Wein- und die Speisekarte und erzählte mir von dem Osso-Buco-Tagesgericht, aus Fleisch von glücklichen Kälbern aus Vermont, denen gestattet wurde, sich ihres kurzen Lebens außerhalb eines Pferchs zu erfreuen.
    Sein massiger Körper versperrte mir den Blick auf die anderen Gäste. Als er ein Gericht aus »ausgesuchten Gemüsen« beschrieb, heuchelte ich Interesse und warf einen Blick in die Karte. Auktionsreife Weine, weiße Trüffel, von Hand gefangene Fische aus Seen, von denen ich noch nie gehört hatte. Der Balsamessig war älter als die meisten Ehen.
    Die Preise waren entsprechend.
    »Etwas zu trinken, Sir?«
    »Mineralwasser mit Kohlensäure.«
    »Sehr gut.«
    Er trat beiseite und

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