Mordkommission
durch die geschlossene Wohnungstür waren gescheitert. Warum
antwortete niemand? Hatte der Mann seine Ankündigung tatsächlich wahr gemacht und erst seine Exfreundin und danach sich selbst
erschossen? Obwohl das Risiko bestand, dass der Täter sich den eindringenden Einsatzkräften bewaffnet widersetzen könnte,
blieb den Beamten keine andere Wahl, als die Wohnung zu erstürmen. Ich beneidete die Männer unter ihren Masken und Helmen
nicht um ihre riskante Aufgabe. Die geringe finanzielle Zulage für ihren gefährlichen Job ist mit Sicherheit für keinen der
Angehörigen der Spezialeinsatzkräfte die Motivation. Es ist der Wunsch, Menschen in aussichtslos erscheinenden Situationen
doch noch Hoffnung und vielleicht eine Chance geben zu können, und bestimmt auch ein wenig der Stolz darauf, einem Team des
SEK anzugehören.
Bereits wenige Minuten, nachdem der Einsatzbefehl ergangen war, hörten wir über Funk, dass beide Personen mit Kopfschüssen
aufgefunden worden waren. Eiligst wurden die Notarztbesatzungen an den Tatort gerufen. Während der Mann offenkundig bereits
tot war, lebte sein Opfer noch. Die junge Frau lehnte an der Wand, direkt neben ihr lag der Täter. Seine Waffe, ein Revolver,
war ihm aus den Fingern geglitten. Doch obwohl das Notarztteam sofort zur Stelle war und die Frau noch in ein Krankenhaus
eingeliefert wurde, starb sie am darauffolgenden Tag an den Folgen ihrer schweren Kopfverletzung.
Die Ermittlungen ergaben, dass die junge, hübsche und lebenslustige Frau aus Slowenien sich vor einiger Zeit von ihrem Freund
getrennt hatte, da er ihr gegenüber immer wieder gewalttätig geworden war. Wie uns erst jetzt ein Freund der Toten erzählte,
hatte der Täter einige Zeit vor dem Mord bereits einmal auf die Frau geschossen; der Schuss hatte Irena Z. jedoch knapp verfehlt.
Dieser Vorfall war wohl mit |84| entscheidend für ihren Entschluss gewesen, sich von dem Mann endgültig zu lösen, der zudem verheiratet und offensichtlich
nicht gewillt war, seine Frau zu verlassen.
Am Tag ihres Todes hatte sich die junge Frau mit ihrem Exfreund vor dessen Gaststätte verabredet. Sie wollte von ihm Geld
zurückverlangen, das er ihr noch schuldete. Obwohl ein Freund sie davor gewarnt hatte, ihren gewalttätigen und jähzornigen
Exliebhaber aufzusuchen, nahm sie ihn nicht ernst und erwiderte unbekümmert: »Meine Fehler mache ich selbst!« Dass dieser
Fehler ihr letzter sein würde, konnte sie nicht vorhersehen.
Vorsichtshalber ließ sich Irena Z. jedoch von einer Freundin begleiten, die während der Aussprache in ihrem Wagen vor der
Gaststätte wartete. Die junge Slowenierin betrat die Gaststätte und ging mit ihrem Exfreund in seine Wohnung im ersten Stock.
Als sich die Freundin nach geraumer Zeit Sorgen machte, weil Irena nicht zurückkehrte, bat sie einen Kellner, nach dem Rechten
zu sehen. Der Kellner ging nach oben, klopfte, niemand öffnete. Stattdessen vernahm er laute Schreie und einen Knall. Er lief
die Treppe zur Gaststätte hinunter, wo er auf die Ehefrau des Täters traf, die mit diesem zusammen das Lokal führte. Nachdem
die Frau gehört hatte, was vorgefallen war, war sie tief beunruhigt. Sie wusste, dass ihr Mann zu allem fähig war. Und sie
wusste auch, dass er einen scharfen Revolver in der Wohnung verwahrte. Das gab den Ausschlag, die Polizei zu alarmieren.
In den Zeitungen war später zu lesen, dass es unverhältnismäßig lange gedauert habe, bis die Polizei sich zur Erstürmung der
Wohnung entschloss. In einer derartigen Situation eine Entscheidung zu treffen, ist mit das Schwerste, was einem in unserem
Beruf auferlegt wird. Wie kann man sicher sein, ob nicht gerade das Aufbrechen einer Wohnungstür einen Geiselnehmer zu einer
Kurzschlusshandlung veranlasst, wohingegen mit der Aufnahme von Verhandlungen vielleicht eine Geisel gerettet werden kann?
Unter dem Opfer lag ein geöffneter Abschiedsbrief des Täters. Es war nicht auszuschließen, dass der Täter Irena Z. |85| mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen hatte, den Brief zu lesen, ehe er abdrückte. Bei der Obduktion ergab sich, dass die
Frau auch bei sofortigem Einsatz des Notarztes ihre Verletzung nicht überlebt hätte. Trotzdem blieb bei uns wie jedes Mal,
wenn ein Mensch durch eine Gewalttat ums Leben kommt, ein schaler Nachgeschmack zurück.
|86| Eine verhängnisvolle Freundschaft
An einem kühlen und trüben Vormittag im Februar bat uns der Leiter der
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