Mordkommission
nicht allzu schwer fallen,
den Mann dazu zu bringen, uns das Versteck des kleinen Peter zu verraten.
Unabhängig davon galt es jetzt, alle irgendwie abkömmlichen Einsatzkräfte zu mobilisieren, um das Areal und die Gebäude nach
dem Jungen zu durchsuchen. Die Vorstellung, dass der kleine Kerl vielleicht irgendwo in unserer Nähe hilflos gefesselt und
geknebelt in einem dunklen Versteck kauern könnte, trieb uns an. Ich telefonierte mit dem Leiter der Einsatzzentrale, der
uns jede mögliche Unterstützung zusagte. Die Einheiten sollten mit Sondersignalen anfahren. Irgendwie hoffte ich, dass wir
es schaffen könnten, den Jungen rechtzeitig zu finden. Dann aber nagten wieder die Zweifel an mir, und die Erfahrung eines
langen Berufslebens ließ die Hoffnung zusehends schwinden.
Ich versammelte die Kollegen, die bereits mit der Anwohnerbefragung befasst waren, am Eingangstor zu der Wohnanlage. Dort,
zwischen dem Abfallsammelplatz mit mehreren Großraumcontainern und dem Verwaltungsgebäude, war es einigermaßen windstill.
Ich teilte ihnen mit, was wir herausgefunden hatten. Auch ohne viele Worte konnte man erkennen, dass diese Informationen bei
allen die gleichen Befürchtungen auslösten. Jetzt waren in der Ferne bereits die Sirenen mehrerer Einsatzfahrzeuge zu hören,
die sich rasch näherten und dann neben uns ausrollten. In diesem |91| Moment klingelte mein Handy. Ich hatte Mühe, in all dem Lärm die Stimme meines Kollegen zu verstehen. Das aber, was er mir
gleich darauf mitteilte, schnürte mir die Kehle zu: »Der Täter hat gerade gestanden – er hat den Jungen sexuell missbraucht
und umgebracht. Peter ist tot!« Und nach einer Pause: »In der Wohnanlage gibt es einen Müllplatz mit Containern – in einen
dieser Container hat er den Jungen geworfen. In einem blauen Müllsack!«
Die Beamten der Einsatzhundertschaft stiegen aus ihren Fahrzeugen, gespannt blickten sie zu mir. Sie wussten nur, dass sie
ein Kind suchen sollten. Verdammt! Es ist nicht leicht, die Fassung zu behalten, wenn man gerade erfahren hat, dass man nur
einige Meter neben der Leiche eines Kindes steht, das jemand getötet und wie Abfall in den Müll geworfen hat. Irgendwie schaffte
ich es, den Kolleginnen und Kollegen die schreckliche Wahrheit weiterzugeben. Tiefe Betroffenheit und Fassungslosigkeit machten
sich breit, nicht nur die jungen Kollegen fuhren sich verstohlen über die Augen.
Jetzt galt es, dafür Sorge zu tragen, die unfassbare Tat in all ihren schrecklichen Einzelheiten so präzise zu dokumentieren,
dass das Gericht später genügend Beweise für die Schuld des Täters hatte. Wir alle wollten dafür sorgen, dass dieser Mensch
nie wieder ein Kind peinigen konnte.
Als Erstes wurde das Zimmer des Täters als Tatort beschlagnahmt und von Beamten bis zum Eintreffen des Erkennungsdienstes
bewacht. Um den Müllplatz herum wurden Absperrleinen gezogen, nur die Kollegen der Spurensicherung durften das abgesperrte
Terrain betreten. Ich hatte bewusst darauf verzichtet, vorab die Angaben des Täters zu überprüfen und etwa in den Müllcontainern
nach dem Müllsack mit der Leiche zu suchen. Denn ich hatte leider nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass das Geständnis
des Täters der Wahrheit entsprach, und wollte vermeiden, Spuren zu vernichten oder eigene Spuren zu setzen.
Währenddessen hatte ein Kollege die Mordbereitschaft des Erkennungsdienstes alarmiert, die sich mit ihrem großen Tatortbus
und einem starken Aufgebot an Spezialisten |92| auf den Weg zu uns machte. Auch ein Gutachter der Rechtsmedizin wurde von einem Funkwagen in aller Eile zum Einsatzort gebracht.
Er sollte die Bergung des kleinen Leichnams beaufsichtigen und noch vor Ort erste Untersuchungen vornehmen.
Und dann kam schließlich der Moment, in dem die Kollegen der Spurensicherung in ihren weißen Schutzanzügen in einem der Container
auf den Sack mit der Leiche stießen. Ich erspare Ihnen und mir die Schilderung all dessen, was in so einem Fall nun einmal
zwingend zu geschehen hat, sowie eine Beschreibung, was der Täter mit seinem Opfer gemacht hat. Auch von der anschließenden
Obduktion werden Sie nichts von mir hören.
Wie sich aus der Vernehmung des Täters ergab, hatte er den Jungen unter dem Vorwand, dass die Eltern kurzfristig wegen eines
Krankheitsfalls weggemusst und ihn gebeten hatten, solange auf Peter aufzupassen, vor dem Eingang abgepasst und zu sich nach
Hause gelockt. Sie waren mit
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