Mordkommission
auch darüber, dass ihm die Qual des Opfers
eine nie zuvor verspürte sexuelle Befriedigung verschafft hat. Möglicherweise hat sich der Täter an der Leiche vergangen oder
er hat Leichenteile als Fetisch mitgenommen oder aufgegessen. Unvorstellbare Handlungen, über die der Täter nun im Beisein
der für ihn völlig fremden Personen – also der Vernehmungsbeamten, der Protokollführerin, vielleicht seines Rechtsanwaltes,
eines Dolmetschers oder eines Staatsanwaltes – offen sprechen soll. Erlebnisse, die er oft selbst als abscheulich einschätzt
und für die er sich unendlich schämt. Und was wird ihm dafür als Gegenleistung in Aussicht gestellt? Eine sehr, sehr lange
Haftstrafe, vielleicht auch eine anschließende Sicherungsverwahrung bis an sein Lebensende.
Dies also sind die Hürden, die im Laufe der Vernehmung genommen werden müssen. Schließlich haben die Opfer, ihre Angehörigen
und nicht zuletzt auch unsere Gesellschaft einen Anspruch auf rückhaltlose Aufklärung, auf Gerechtigkeit und Sühne. Zugegeben,
nicht in jedem Fall und bei jedem Tötungsdelikt sind die Fakten so drastisch. Immer aber besteht die Diskrepanz darin, dass
man den Beschuldigten dazu bringen möchte, ein umfassendes Geständnis abzulegen, das zwangsläufig mit dazu beitragen wird,
ihn für lange Zeit zu inhaftieren.
Und trotzdem beweisen erfahrene Vernehmungsbeamte immer wieder aufs Neue, dass sich dieser Konflikt lösen lässt. Die Mehrzahl
der Beschuldigten bei Tötungsdelikten ist schließlich dazu bereit, über ihre Tat zu sprechen. Jeder hat in seinem Leben selbst
schon mal aus den unterschiedlichsten Gründen – ich sage es einmal salopp – »Mist« gebaut. Wenn man sich anschließend dafür
rechtfertigen soll, ist man bemüht, die Verfehlung in einem möglichst milden Licht erscheinen zu lassen. Dies gilt natürlich
auch für den Totschläger und Mörder. Ihm Vorwürfe zu machen, wäre daher kontraprodukiv. Also wird man seine Aussage zu Protokoll
nehmen, auch wenn man vermutet, dass er die Schilderung der Tat stark beschönigt hat. Die Erfahrung |114| lehrt jedoch, dass in jeder Aussage immer ein Quäntchen Wahrheit steckt, das herauszufinden eine besondere Herausforderung
darstellt. Ich habe mir längst den Wahlspruch eines Kollegen aus meiner Kommisssion zu eigen gemacht, dessen Vernehmungsgeschick
fast schon legendär ist; sein Leitspruch lautet: »Die Lüge orientiert sich immer an der Wahrheit!«
Eine wesentliche Hilfe beim Erkennen von Lügen bietet das sogenannte nonverbale Verhalten des Verdächtigen. Profis können
daran erkennen, in welche Teile der Aussage eine Lüge eingebettet wurde oder durch welche Fragen man der Wahrheit sehr nahe
kommt. Jeder Mensch zeigt in stressbelasteten Situationen ungewollt und unbewusst körperliche Reaktionen, die für den Vernehmer
wahre Bände sprechen können. Dazu gehören nervöses Augenzwinkern, trockene Lippen oder Erröten ebenso wie die ständige Veränderung
der Sitzposition, das Herumspielen an Gegenständen, Kneten der Finger oder das Anfassen der Ohrläppchen. Das Verschränken
der Arme vor der Brust oder das Zusammenpressen der Beine bei gleichzeitigem seitlichem Abwenden vom Fragenden signalisieren
dem aufmerksamen Betrachter deutlich, dass er mit seiner Frage den Kern einer Sache berührt hat und der zu Vernehmende Angst
hat, dass in dieser Richtung weitergefragt wird. Geradezu ein Klassiker ist es, wenn der Beschuldigte während einer Antwort
mit Daumen und Zeigefinger an seiner Nasenspitze reibt. Dies bedeutet so viel wie »
Achtung, jetzt lüge ich gerade
!«. Eine Geste, die man übrigens gar nicht so selten in Fernsehdiskussionen beobachten kann …
Da jeder Mensch anders belastbar ist und einen unterschiedlichen Erfahrungsschatz im Lügen oder Schwindeln hat, also entsprechend
unterschiedliche Reaktionsabstufungen zeigt, verschafft sich der erfahrene Vernehmer zunächst einmal einen Eindruck von seinem
Gegenüber. Dazu stellt er ihm zunächst völlig unverfängliche Fragen – etwa über dessen Familie – und studiert die Verhaltensmuster
bei wahrheitsgemäßen Antworten. Sodann kann man das Gespräch zum Beispiel auf die gegenwärtige Vernehmungssituation |115| bringen und auch darauf, dass man sich nach besten Kräften darum bemühen wird, die Wahrheit herauszufinden. Auch mit der möglichen
Konsequenz für den Beschuldigten, dass er im Falle seiner Täterschaft eine langjährige Haftstrafe zu
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