Mordkommission
Ermittlungen gelangte. Und nun bekommt man die Bestätigung dafür, dass alle Überlegungen gepasst haben, dass die beharrlich
und nicht selten auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen vorangetriebenen Ermittlungen der richtigen Theorie gefolgt
sind. Man sollte meinen, dass man nun ein Gefühl wilden Triumphes verspüren müsste, wie ein Jäger, der wochenlang hinter einem
kapitalen Hirsch her gewesen ist, den er nun endlich erlegen konnte. Doch weit gefehlt. Nicht das Gefühl des Triumphes ist
es, was einen in diesem Moment bewegt, sondern eine Leere, eine Art Erschöpfung; man denkt an die Familie des Opfers, die
nun beginnen kann, ihre Trauer bewusst aufzuarbeiten. Man denkt an den Täter und dessen Familie, wie fürchterlich die Nachricht
sie treffen wird, sobald sie erfahren, dass der Sohn, die Schwester, der Vater oder der Ehepartner ein Mörder ist. Die Medien
werden sich auf den Fall stürzen und die Nachbarn mit Fingern auf die Kinder des Täters zeigen. Man ist dankbar, dass man
auf der »richtigen« Seite des Schreibtisches sitzt, und man denkt daran, wie wunderschön es sein wird, an diesem Abend aus
dem Büro hinauszugehen, ohne dass einen eine schwere Tür daran hindert. Nein, Triumph habe ich noch niemals verspürt, wenn
es meinen Kollegen und mir wieder einmal gelungen ist, einen Mord aufzuklären.
Was folgt, ist für die Beamten der Mordkommission Routine: das Geständnis des Täters in allen Einzelheiten zu protokollieren
und die Einzelheiten der Tat dabei so zu hinterfragen, dass man sicher sein kann, den Täter und nicht etwa einen psychopathischen
Trittbrettfahrer vor sich zu haben. |118| Für den Täter ist das Geständnis hingegen vielleicht der erste Schritt, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, sich eine schwere
Last von der Seele zu reden und damit die Grundlage zu schaffen, irgendwann einmal wieder ein normales Leben führen zu können
– ohne permanent in der Angst davor leben zu müssen, wegen irgendeiner Körperzelle an einer Leiche, die seine DNA enthält,
im Morgengrauen von Beamten eines Spezialeinsatzkommandos unsanft geweckt zu werden.
|119| Sexualmord an Rentnerin
Der genetische Fingerabdruck sollte auch im folgenden Fall den Täter überführen, die Zeitspanne, die zwischen Tat und Geständnis
lag, war diesmal sogar noch länger, nämlich 18 Jahre.
Im Oktober 1986 wurde eine damals siebenundsiebzigjährige Frau, Sophie G., erdrosselt in ihrem Einzimmerappartement in München-Kleinhadern
aufgefunden. Der Hausmeister hatte sich Sorgen um die alte Frau gemacht, weil er sie seit über einer Woche nicht mehr gesehen
hatte, und die Polizei verständigt.
Rasch war klar, dass die Frau Opfer einer Gewalttat geworden war. Um ihren Hals war ein Handtuch verknotet, auf dem Gesicht
lag ein Kissen. Die Wohnung war einfach und bescheiden eingerichtet und zeugte davon, dass die Mieterin weder über viel Geld
noch über besondere Ordnungsliebe verfügte. Die Ermittlungen gestalteten sich äußerst schwierig, da die Frau häufig alleinstehenden
Männern, die sie bei ihren zahlreichen Gaststättenbesuchen im Bereich des Hauptbahnhofes kennenlernte, eine Schlafgelegenheit
anbot. Dies tat sie nicht aus sexuellen Motiven heraus, sondern aus Mitleid mit den Gestrauchelten und Einsamen und wohl auch
ein bisschen aus Eigennutz, da sie am liebsten in Gesellschaft trank. Das hatte ihr im Obdachlosenmilieu den Spitznamen »Rotwein-Sophie«
eingebracht. Die Spurensicherungsmaßnahmen in der Wohnung des Opfers erbrachten keinen konkreten Hinweis auf den oder die
Täter. Allerdings ließen mehrere Zigarettenstummel in der Wohnung die Vermutung zu, dass die Frau, die selbst nicht rauchte,
von einem Besucher ermordet worden war, der sich längere Zeit hier aufgehalten hatte. Die Zigarettenstummel waren damals routinemäßig
gesichert und asserviert worden.
Nachdem seinerzeit trotz aller Bemühungen der Mordkommission die Tat nicht geklärt werden konnte, war der |120| Vorgang eines Tages zu den Akten gelegt worden. Als wir nun im Rahmen der Überprüfung der ungeklärten Altfälle diesen Mordfall
wieder aus dem Aktenkeller holten, nahm sich ein Kollege des Vorgangs an, der für besondere Beharrlichkeit und Ausdauer bekannt
ist.
Zum Zeitpunkt der erneuten Überprüfung war es unserer Dienststelle schon mehrfach gelungen, mit Hilfe der revolutionären DN A-Technik Altfälle zu klären. Auch jetzt hofften wir darauf, dass uns die
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