Mordkommission
–, aber sie hatte überhaupt nicht auf die Person geachtet. Sie konnte nicht einmal angeben, ob es ein Mann oder eine Frau
war. Das war ausgesprochenes Pech.
Die Möglichkeit eines Suizides wurde von sämtlichen Angehörigen und Bekannten ausgeschlossen. Es gab nichts, absolut nichts
im Leben des Mannes, der voller Lebensfreude, Tatendrang und Zukunftspläne steckte, was diese Theorie gestützt hätte. Die
Befürchtung, dass der pensionierte Konditor einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, verdichtete sich also immer mehr. Wir
hatten das gesamte Haus nochmals akribisch, Raum für Raum, nach Hinweisen auf eine Gewalttat abgesucht. Ein Diensthundeführer
und sein auf das Aufspüren von Leichen spezialisierter Diensthund unterstützten uns. Als der Hund in den Raum im ersten Stock
geführt wurde, den der Sohn zunächst versperrt vorgefunden hatte, schlug er sofort an. Obwohl der Parkettboden sehr sauber
wirkte und bei oberflächlicher Betrachtung nichts auf Blutspuren hinwies, gab es jetzt |168| kein Zögern mehr. Mit Hilfe von Experten des Institutes für Rechtsmedizin wurde der Raum völlig abgedunkelt und der Fußboden
mit einer speziellen Chemikalie namens Luminol untersucht. Ein bestimmtes Bluteiweiß beginnt bei der Berührung mit der Chemikalie
zu fluoreszieren. Wir starrten gebannt in die Finsternis vor uns. Genau dort, wo zuvor der Diensthund intensiv am Parkett
gekratzt hatte, überzog sich plötzlich der Fußboden großflächig mit einem bläulichen Glimmen: Blut! Das Licht wurde eingeschaltet,
betroffen blickten wir uns an: Die Fläche, die in der Finsternis geleuchtet hatte, war viel zu groß für eine kleinere Verletzung.
Standen wir am Schauplatz des Mordes an dem vermissten Konditormeister?
Beamte des Erkennungsdienstes begannen unverzüglich, das Parkett auf einer Fläche von mehr als zwei Quadratmetern behutsam
abzutragen. Auf der Unterseite der Parkettstäbe und am Estrich konnte man jetzt massive rötliche Antragungen erkennen. Ein
Schnelltest ergab, dass es sich tatsächlich um Blut handelte. Der Gerichtsmediziner schätzte die Menge des Blutes auf »möglicherweise
mehrere Liter«. Sollte sich bei der sofort veranlassten DN A-Untersuchung herausstellen, dass es sich um das Blut von Günter W. handelte, konnte leider kein Zweifel mehr daran bestehen, dass wir
nun nicht mehr nach einem Vermissten, sondern nach einer Leiche suchen mussten. Unterdessen waren auch im Treppenhaus mit
Hilfe des Luminolverfahrens an mehreren Stellen mikroskopisch kleine Blutantragungen gefunden worden, deren Lage den Rückschluss
zuließ, dass ein Körper über die Treppe vom ersten Stock bis zur Terrassentür im Wohnzimmer geschleift worden war. Kurze Zeit
später wurden unsere Befürchtungen zur Gewissheit: Es handelte sich ohne Zweifel um das Blut des Hausherrn. Für uns alle stand
in diesem Augenblick fest: Derjenige, der das Inserat aufgegeben hatte, musste auch der Mörder sein!
Wir versiegelten das Haus an diesem Abend erneut, diesmal jedoch als Tatort. In der Dienststelle versammelten wir uns und
versuchten, die Erkenntnisse der letzten Stunden |169| zu ordnen. Manche der Wahrnehmungen der letzten Tage bekamen nun plötzlich einen Sinn, andere hingegen sorgten für zusätzliche
Verwirrung. Aufgrund der Blutspuren schien der erste Angriff auf das Opfer in dessen Schlafzimmer erfolgt zu sein, und dies
wahrscheinlich, während der Mann in seinem Bett lag und schlief. Von dort hatte sich das Geschehen in den Raum mit den Blutspuren
im Parkett verlagert. Ob das Opfer zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hatte, war vorerst nicht zu klären. Irgendwann zu einem
späteren Zeitpunkt schien der Täter die Leiche über das Treppenhaus in das Wohnzimmer im Erdgeschoss geschleppt zu haben.
Ob er sie von dort durch den Garten oder durch die Hauseingangstür direkt nach draußen gebracht hatte, war ungewiss. Auf jeden
Fall hatte er wohl für den beabsichtigten Abtransport der Leiche vorsorglich den Durchgang durch die Garage freigeräumt und
dazu den Motorroller in den Garten geschoben und einen in den Durchgang ragenden Reifen von der Wand genommen. Wir gingen
davon aus, dass der Leichnam mit einem Fahrzeug fortgeschafft worden war. Dieser Tatverlauf schien uns nachvollziehbar und
kriminalistisch relativ unproblematisch erklärbar zu sein.
Was hingegen weitaus mehr Fragen aufwarf, waren andere Beobachtungen: Offensichtlich war der Mörder nach seiner Tat an
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